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„Katastrophen im Gartenteich“
11. Kapitel
Possierliche Schleierschwänze
Wieder
standen wir am Anfang. Und – seltsam irgendwie –wir konnten es einfach nicht
ertragen, nur einen Goldfisch im Wasser zu haben. Wenn uns Gäste besuchten,
hatten wir zwar allerhand Gesprächsstoff, was die Katastrophen in unseren
Fisch-Pfützen betraf, aber niemand wollte so recht begreifen, warum wir das
hinnahmen. Schließlich gibt es die reizenden Tierchen ja massenhaft zu kaufen.
Und außerdem sollte man sein Herz vielleicht nicht unnötig an das eine oder
andere Tier verschenken, was heißen sollte, irgendeine Trauer sei grundsätzlich
unangebracht. Dem konnten wir nur teilweise widersprechen. Stets gaben wir,
wenn auch etwas arrogant, zu bedenken, dass, wer keinen Fischteich besitzt,
eigentlich gar nicht mitreden sollte.
Die
kleinen Biester zu beherbergen, ist zwar keine Sucht, aber halt ein wirklich
kompliziertes, wenn auch letztlich schönes Freizeit-Vergnügen. Logisch daher,
dass wir uns geraume Zeit nach dem letzten Debakel wieder einmal in einer
zoologischen Handlung einfanden. Logisch auch, dass wir uns einen neuen
Fischhändler ausgeguckt hatten, denn den Kummer wollten wir nicht verzeihen.
Diesmal hatten wir uns nicht festgelegt. Da wir mit Goldfischen offenbar so
unsere Probleme hatten, waren wir sogar geneigt, es einmal mit einer anderen
Sorte zu versuchen.
Nun
war die Auswahl in dem Geschäft leider nicht allzu groß. Unsere Skepsis, was
Goldfische betraf, konnte der Händler nicht teilen. Aber er führte uns, tüchtig
wie er war, zu einem Aquarium, in dem sich schwarze kleine Schleierschwänze
tummelten. Die sahen nun wirklich einfach verführerisch aus. Ihre Art, sich im
Wasser fortzubewegen, schien uns zwar äußerst umständlich und gar nicht
fischgemäß, aber eben das machte ihren besonderen Reiz aus. Man würde sie im
Teich zwar leider nicht von der Seite sehen können, aber possierlich waren sie
allemal.
Natürlich
hatten wir Bedenken. Immerhin sollten die Tiere im Winter draußen im Wasser
bleiben. Würden sie das aushalten? Der Verkäufer zerstreute unsere Besorgnis.
Auch würde es keine Komplikationen mit Goldfischen geben, meinte er, als könnte
er in unseren Seelen lesen. Damit war eine Bemerkung gefallen, die uns erst
einmal wieder zaudern ließ. Sollten wir nicht doch lieber einen Goldfisch
kaufen, einen Partner für den Einsamen?
Als
wir schließlich im Auto saßen, hatten wir zwei kleine schwarze Schleierschwänze
in der Tüte. Die niedlichen Wichte zappelten hin und her, als wären sie dankbar
für die Abwechslung und die Aussicht, endlich in die freie Natur zu gelangen.
Aber so schnell ging das nicht. Obwohl schon Früh-Sommer war, das Wasser also
nicht mehr so kalt, hielten wir konsequent die Zeit ein, den Neulingen
Gelegenheit zu geben, sich gründlich zu akklimatisieren. Wir gaben sie auch
nicht direkt ins für sie neue Wasser, sondern mischten ihr Wasser mit dem
unseren in einer Schüssel. Und erst, als sie sich darin ein Weilchen getummelt
hatten, durften sie in den Teich. Wo sie sich erst einmal in die Tiefe
„abseilten“ und für Tage verschwanden.
Wir
wurden schon wieder einmal unruhig. Hatte ein böser Dieb unsere Lieblinge
geklaut? Waren sie gestorben und unten im Teich in der Wasserpest hängen
geblieben, so dass wir sie nicht sehen konnten? Lieblinge konnten sie damals
eigentlich noch gar nicht sein, denn wir kannten sie ja gar nicht. Außer, dass
wir sie ins Herz geschlossen hatten, bevor wir sie dem Teich übergaben.
Endlich,
nach Tagen, ließen sich die Neulinge blicken. Gemütlich wuselten sie am Ufer
entlang und schnüffelten überall herum. Als wir näher traten, tauchten sie
vorsichtig erst einmal nach unten ab. Aber das gab sich. Nach ein, zwei Wochen
waren sie recht zutraulich und ließen sich füttern.
Aber
die Nähe zu dem Goldfisch suchten sie nicht. Zwar gab es Momente, wo sie sich
irgendwie kontaktierten, doch im Grunde ließen sie ihn sozusagen links liegen.
Damit war erneut die Frage aufgeworfen, wie dessen Einsamkeit zu überwunden
sei. Wir befanden, dass ihm immerhin zwei weitere Fische zwecks Geselligkeit
zur Verfügung standen, er also seinerseits Kontakt suchen könnte.
Freilich
begriffen wir bald, dass man sich hüten muss, menschliche Verhaltensweisen in
den Fischteich zu projizieren. Fische haben grundsätzlich ihren eigenen Kopf,
so klein der zu sein pflegt. Ob sie damit stets richtige Entscheidungen
treffen, ist arg zu bezweifeln, aber Fakt ist, dass sie sich ständig irgendwie
entschließen.
Wobei
sich dabei geradezu phänomenale Vorgänge abspielen. Am verständlichsten ist
noch, dass sie sich sozusagen automatisch der Wassertemperatur anpassen. Sobald
das Wasser abzukühlen beginnt, ziehen sie sich in eine tiefere Region zurück.
Sinkt es gar unter zehn Grad, suchen sie garantiert den Teichgrund auf. Kehrt
noch einmal wärmere Temperatur zurück, kommen sie vorsichtig und gewissermaßen
im allerersten Gang wieder etwas höher. Das ist eine Art natürlicher
Automatismus und hat mit dem, was wir Menschen allgemein unter Entscheidung
verstehen, kaum etwas zu tun.
Anders
ist das schon, ob sich ein Fisch entschließt, hinter seinem Partner
herzuschwimmen oder es sein zu lassen und eigene Wege zu suchen. Wobei gesagt
werden muss, dass Schleierschwänze eher Einzelgänger sind. Sie treffen sich
zwar gelegentlich, und es kommt fast zur Berührung, aber Gemeinsamkeit haben
sie nicht im Sinn. Das ist bei den Koi, wie wir später beobachteten, ganz
anders. Die bewegen sich sehr gern in der Gruppe.
Aber
ich wollte vom Vermögen des Fisches sprechen, sich zu entscheiden. Sein
Spielraum ist nie groß, gewiss, schon gar nicht in einem kleinen Teich wie dem
unseren, aber er hat die Wahl, sich zum Beispiel in eine flache Zone zu begeben
und sich dort zu sonnen oder trotz Sonnenschein nach unten weg zu tauchen und
dort herumzudümpeln. Ob das etwas mit dem zu tun hat, was wir Denken nennen,
sei dahingestellt. Viel eher hat es wohl etwas mit Empfinden zu tun. Ganz
deutlich wird das, wenn Fische schon bei geringster Bewegung außerhalb des
Teiches geradezu hektisch reagieren und wild durcheinander stieben. Freilich
weniger die Schleierschwänze. Das sind recht gemütliche Gesellen.
Dank
unserer guten Fütterung, auch mal Frischkost wie Fliegen und kleine
Regenwürmer, wuchsen die Neulinge gut heran. Immer wieder machten sie uns
Freude mit ihrer wuscheligen Art, sich im Wasser fort zu bewegen. Da sie dunkel
waren, hatte sie offenbar kein böser Feind erspäht. Und auch Katzen hatten wir
den Zugang gut verwehrt. Jedenfalls erlebten wir endlich einmal einen Sommer,
ohne in ständiger Sorge um unsere Zöglinge sein zu müssen. Da wir dem großen
Goldfisch inzwischen auch noch einen etwa gleichgroßen Partner besorgt hatten,
sei an dieser Stelle kurz erwähnt.
Als
stolze Fisch-Eigner sannen wir nun, wie wir den kostbaren Schatz über den
Winter bringen würden. Aber wie das so ist – unsere Sorge war diesmal
übertrieben. Der Winter fiel mäßig aus, das heißt, auch die Eisdecke blieb
mäßig und ließ sich leicht und ohne Getöse jeden Tag aufbrechen. Das machte
zwar auch allerhand Mühe, aber was tut man nicht alles für seine Lieblinge.
Als
wir im Frühjahr nachdem das Eis geschmolzen war und den Blick in die Tiefe frei
gegeben hatte, unsere Fisch-Mannschaft lebend da unten entdeckten, empfanden
wir das als einen Sieg. Zumindest über den Winter. Und fast selbstverständlich
schmiedeten wir neue Pläne. Vielleicht keimte schon damals aus lauter Übermut
die Idee, uns noch einen weiteren Teich zuzulegen – so genau weiß ich das nicht
mehr.
Zunächst
aber kam es lediglich zum Kauf eines weiteren Fisches. Dass für solch
Unternehmung das Wasser noch viel zu kalt war, erwogen wir einfach nicht.
Immerhin hatten soeben vier Fische noch kältere Temperaturen überstanden. Und
der Verkäufer, den wir betrauten, dachte offenbar mehr ans Geschäft und weniger
ans Schicksal seiner Ware. Er zumindest hätte uns darauf aufmerksam machen
müssen, dass sein Fisch ja im Winter in einem Wasser von passablen Temperaturen
geschwommen war. Ihn im Frühjahr in kaltes Wasser auszusetzen, war folglich
ausgesprochen grausam. Das begriffen wir aber erst, nachdem wir den Schaden
hatten und der Fisch den Kummer.
Das
heißt, wir hatten uns wieder einmal auf den Weg gemacht in eine Zoologische
Handlung. Aus irgendeiner fast mystischen Selbstverständlichkeit sollte es ein
weiterer Schleierschwanz sein. Zwar hatte ich kurz dazu geneigt, diesmal einen
roten zu nehmen, aber die Sorte hatte man nicht auf Lager. So kamen wir denn
mit einem schwarzen kleinen Kerl wieder zu Hause an und waren, als wir die
Fische unmittelbar vergleichen konnten, schon mal überrascht, wie schön groß
die anderen beiden Schleierschwänze bereits gewachsen waren.
Nun
muss ich zu unserer Rechtfertigung sagen, dass wir dem Neuling aus unserer
Sicht wirklich genügend Zeit gaben, sich an die Temperatur unseres Wassers zu
gewöhnen. Das heißt, er schwamm wenigstens eine Stunde in seiner Plastiktüte
auf dem Wasser herum, bis wir Mitleid hatten, ihn aus dem Gefängnis befreiten
und in seine neue Heimat entließen. Aber oh weih! Der kleine Kerl erstarrte
prompt zur Salzsäule und rührte sich nicht mehr! Was war da los?
Inzwischen
sind wir klüger. Damals standen wir erst einmal ratlos, bis wir ahnten, dass
dem Neuling einfach zu kalt war. Offenbar brauchte er noch mehr Zeit, um sich
anzupassen. So standen wir denn und schauten gebannt, ob er irgendwie in
Bewegung käme. Wohl so nach fünf Minuten machte er denn auch einen irgendwie
irren Sprung, erstarrte aber sofort wieder zu totaler Bewegungslosigkeit. Das
sah nicht gut aus!
Heraus
mit ihm! Wir lösten uns aus der Erstarrung, in die auch wir verfallen waren.
Irgendwie musste der kleine Kerl in die Wärme! Meine Frau eilte und holte ein
leeres Gurkenglas, ich suchte das Fischnetz. Hastig gab meine Frau etwas
Teichwasser ins Glas, dann ließ sie warmes Wasser aus der Leitung dazu laufen. Wie
warm durfte das Wasser sein? Endlich hatten wir das Wasser-Thermometer
gefunden. Wir entschieden uns für achtzehn Grad. Hinein endlich mit dem Fisch!
Da er noch immer reglos in der seichten Zone hockte, war es nicht schwer, ihn
wieder einzufangen.
Im
Glas taumelte er willenlos in die Tiefe und hockte sich ebenso hin, wie gehabt.
Es sah neuerlich nicht eben gut aus. Wir fischten noch etwas Wasserpest aus dem
Teich und gaben sie ihm hinein. Er sollte sich wohl fühlen. Wofür es leider
keinerlei Anzeichen gab. Doch unsere Möglichkeiten waren erschöpft. Nun musste
er schon selber sehen!
Wir
stellten das Glas in ein gut temperiertes Zimmer und harrten der Dinge, die da
kommen würden. Irgendwie hatten wir uns in Gedanken schon von dem Neuling
verabschiedet. Wir waren einfach zu arg gebrannte Kinder in Sachen
Teich-Fische. Dass wir diesmal selbst Schuld hatten, gestanden wir uns zwar
ein, aber helfen konnte das dem Fisch nicht. Er hockte und hockte. Wir
trösteten uns damit, dass er immerhin nicht auf die Seite torkelte, was ein
schlimmes Zeichen gewesen wäre. Ein bisschen Futter, das wir ihm hineingaben,
interessierte ihn nicht. Es folgte eine lange bange Nacht.
Als
ich um Mitternacht wach wurde, stand ich auf und schlich die Treppe hinab. Doch
bevor ich ins Zimmer trat, zögerte ich. Sollte ich mir jetzt zur Schlafenszeit
den Anblick eines toten Fisches zumuten? Dazu war es wahrhaftig am kommenden
Morgen noch früh genug. Behutsam machte ich kehrt und kroch ins Bett zurück.
Sensation
am Morgen! Meine Frau und ich traten gemeinsam in das Zimmer des vermeintlichen
Todes-Kandidaten. Und wir staunten nicht schlecht: Der kleine Kerl schlenkerte
oben im Glas hin und her. Nicht eben besonders munter, wie uns schien, aber er
lebte und schnappte offenbar nach Luft. Was hieß das nun wieder? Konnte der
Sauerstoff im Wasser schon aufgebraucht sein? Vorsorglich gaben wir ihm eine
kleine Portion aufgewärmtes frisches Wasser hinein, auch etwas Futter. Für das
er sich nur mäßig interessierte. Aber er lebte, er lebte!
Glücklicherweise
erwärmte sich damals die Natur schnell. Was das Teichwasser betraf, half ich
nach, indem ich mit meiner kleinen Luft-Pumpe erwärmte Luft ins kalte Nass
pustete. Den beiden Goldfischen und den beiden Schleierschwänzen tat das
sichtlich gut; denn nach geraumer Zeit schwammen sie nicht nur munter immer mal
wieder durch den Frischluft-Strom, sie kurvten auch stetig höher. Als dann
plötzlich gar ein Teichfrosch am Ufer auftauchte, der zwar alsbald wieder
verschwand, war das insgesamt für uns das Signal, die Saison sozusagen
offiziell zu eröffnen.
Das
heißt, wir nahmen einen neuen Anlauf, den kleinen Neuling aus seinem Wasserglas
in die Natur zu delegieren. Er schien sich mit seinem Schicksal in der Enge
abgefunden zu haben, ließ sich jedenfalls nicht mehr erschöpft auf den Grund
absinken, sondern pendelte unter der Wasseroberfläche hin und her. Nachdem wir
etwas Frischwasser zugegeben hatten, schnappte er auch nicht mehr so oft nach
Luft. Alles schien gut zu laufen.
Dennoch
warteten wir noch zwei, drei Tage; allerdings immer in der heimlichen Sorge,
den neuen Liebling morgens nicht mehr lebend anzutreffen. So im Nachhinein
scheint derlei Empfindung von damals vielleicht übertrieben, aber was neue
Fische betraf, hatte sich bei uns inzwischen eine arge Skepsis festgesetzt. Es
ist einfach zu blöd, so einen kleinen Kerl voreilig ins Herz zu schließen, und
sich wenig später aus unergründlicher Ursache wieder von ihm verabschieden zu
müssen.
An
einem wirklich warmen Frühsommer-Tag, so etwa zwanzig Grad plus, schlug die Stunde.
Der kleine Schleierschwanz sollte erneut ins Teichwasser. Vorsichtig kippte ich
das Glas, gab es mit dem Rand so an die Oberfläche, dass der Kleine bequem
losschwimmen konnte. Doch er hatte keine Lust, beziehungsweise er begriff
nicht, dass hinten kein Ausgang war. So stand ich denn und stand. Bis ich die
Geduld verlor und den Kerl einfach auskippte. Prompt strampelte der Kleine in
die Tiefe davon. Und ward nicht mehr gesehen.
Das
ist eine merkwürdige Situation: Man weiß hundertprozentig, dass man einen Fisch
ins Wasser gegeben hat, aber der lässt sich nicht blicken. So dass man am
eigenen Tun zu zweifeln beginnt. Als vernünftiger Mensch weiß man jedoch
einfach, gibt also dem Zweifel nicht Raum, könnte aber trotzdem bald
verzweifeln, weil man nicht erklären kann, was da eigentlich läuft. Die vier
eingesessenen Fische zeigen sich sozusagen demonstrativ, aber man würdigt das
überhaupt nicht, im Gegenteil, man übersieht sie geradezu, klotzt immer nur ins
Wasser, um endlich den einen zu entdecken. Und sei es für Sekunden!
Ich
will nicht gerade sagen, dass wir uns zur Beobachtung abwechselten. Aber eine
seltsame Unruhe trieb uns immer wieder zum Teich. Je länger der kleine Bursche
verschwunden blieb, desto größer wuchs die Wahrscheinlichkeit, dass ihm irgendetwas
zugestoßen war. Meine Frau hatte schon wieder die Frösche in Verdacht. Das
schien sogar nicht so ganz und gar abwegig, denn von der Größe her gesehen,
wäre der Kleine ohne Zweifel ein echter Frühjahrs-Happen gewesen. Und das
Grausame solcher Überlegung war, dass man nie herausbekommen würde, ob sie
zugetroffen hatte oder vielleicht ein anderer, noch ärgerer Räuber zugange
gewesen war. Licht ins Dunkel unserer finsteren Ahnungen konnte nur der Kleine
selbst bringen, indem er einfach aus den Tiefen seiner Schmollwinkel wieder
auftauchte.
Unsere
Hoffnung war schon bei null, da machte meine Frau eines Tages eine Entdeckung.
Seitlich am Ufer, zwischen ins Wasser herabhängenden Gräsern, sah sie ein sich
bewegendes Etwas, das wir gemeinsam als Schwanzflosse des kleinen Abtrünnigen
definierten. Der Fisch hatte sich mit seinem gesamten Vorderteil zwischen eine
Spalte geschoben und war nicht geneigt herauszukommen. Wie lange wir da wieder
einmal standen, um den Moment nicht zu verpassen, an dem der kleine Kerl geruhte,
seine Position zu wechseln, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass wir es
schließlich aufgaben.
Als
wir einige Zeit später wieder hinschauten, wie konnte es anders sein, war die
Schwanzflosse verschwunden. Tröstlich immerhin war, dass es den Fisch also noch
gab. Kein Dieb hatte ihn uns entwendet. Er führte nur sein Eigenleben, und das
hieß zurzeit, sich möglichst zu verstecken.
Dass
das seltsame Verhalten mit den anderen Fischen zu tun haben könnte, kam uns
nicht in den Sinn. Dass ein Zusammenhang bestand, haben wir in diesem Falle
auch nie herausbekommen. Wir beobachteten allerdings eines Tages, dass die vier
alteingesessenen Fische beim Füttern irgendwie Acht gaben, dass der Neuling
nicht zum Zug kam. Der kurvte doch tatsächlich vorsichtig in der Tiefe und
traute sich nicht nach oben, wo das Futter schwamm. Im Übrigen zog er es immer
wieder vor, den Kopf in irgendeine Falte zu stecken. Oft schaute nur noch der
Schwanz hervor.
Das
ging so einige Zeit, und wir begannen wieder einmal, uns mit seltsamen
Erwägungen selbst zu nerven. Das geradezu Verrückte ist, dass ein Gedanke sich
regelrecht festsetzen kann, so absurd er objektiv und nüchtern betrachtet auch
sein mag. In diesem Falle bildeten wir uns ein, dass der kleine Kerl
möglicherweise nicht genügend Nahrung bekam, weil die anderen ihn hinderten.
Also folgerten wir, dass er wieder aus dem Teich herausgenommen werden müsse.
Sobald uns diese Überlegung gepackt hatte, ließ sie uns nicht wieder los.
So
kam der Tag, an dem wir zur Tat schritten. Als der Kleine wieder einmal seinen
Kopf dicht am Ufer in einen Spalt steckte, hielten wir das Fischnetz hinter
ihn, ruckelten ein bisschen, so dass er hervorkam, und hatten ihn gefangen. Im
gut mit Sandboden und Wasserpest präparierten Glas schien er sich wohl zu
fühlen. Aber Futter nahm er nicht an.
Nach
einigen Tagen begann er wieder, so seltsam nach Luft zu schnappen. Entsetzt
stellten wir fest, dass wir vergessen hatten, frisches Wasser hinzuzugeben.
Diesmal hatten wir aber unachtsam das Glas von vornherein so voll gemacht, dass
jede Zugabe bedeutete, vorher erst einmal Wasser abzuschöpfen. Eine elende
Hudelei. Lange würden wir das nicht durchhalten. Aber wir wollten den Kerl auch
nicht in den Teich zurückgeben, ohne klar gesehen zu haben, dass er etwas frisst.
Unsere
Konsequenz hat er uns übelgenommen. Wir sind schuld, ohne Zweifel, aber wir
hatten ihm wirklich helfen wollen. Dass wir uns dabei so ungeschickt angestellt
haben, möge er uns verzeihen. Das heißt: Eines schönen Morgens, vielleicht
sogar an just dem Tag, an dem er wieder zurück in den Teich sollte, lag er
mausetot im Glas.
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