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„Katastrophen im Gartenteich“

12. Kapitel

 

 

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Koi und Shubunkin

 

Zu den echt unerklärbaren Regungen meines irdischen Daseins gehört, dass ich damals, als der kleine Schleierschwanz im Glas verreckt war, statt endlich und unwiderruflich die Finger von Fischen zu lassen, über die Erweiterung unseres Bestandes nachzudenken begann. Das heißt, ich sann nicht etwa, allem Kummer zum Trotz, einfach einen anderen Schleierschwanz zu kaufen. Nein, ich träumte von Kois!

 

Nun ist dazu zu sagen, dass uns diese schönen Tiere schon immer aufgefallen waren. In jeder guten Zoologischen Handlung tummeln sie sich in einem Becken, kleine, große, einer schöner als der andere und meist gut auseinander zu halten. Aber natürlich hatten wir gesehen, dass diese Sorte Fisch hübsch groß zu werden pflegt, also in unserer kleinen Pfütze dafür nicht Platz war. Auch musste man preislich entsprechend Märker hinblättern, und bei unserer allgemeinen Verlustrate bei Fischen wäre das arg ins Geld gegangen. Immer wieder, so oft wir an solch einem Koi-Becken standen, hatten wir uns mit leichter Wehmut gelöst und waren zur Tagesordnung übergegangen.

 

Diesmal aber hatte sich der Gedanke ziemlich festgesetzt. Zumal ein Händler uns informiert hatte, dass die Koi in der Lage seien, sich der Größe eines Teiches anzupassen. Ist der Teich nicht allzu groß, bleiben sie einfach kleiner. Eine feine Sache! Damit war eine Sorge ausgeräumt. Dennoch musste natürlich ein neuer Teich her! Zu den zwei Goldfischen und zwei Schleierschwänzen wollten wir nicht auch noch Koi geben.

 

Das heißt, ich begann den Bau eines weiteren Teiches zu planen. Er sollte sich möglichst passabel an die vorhandenen drei Pfützen anfügen. Die Idee, ihn mit dem Goldfisch-Teich zu vereinen, trieb mich lange Zeit um. Aber das hieß, zwei Folien unter schwierigen Bedingungen zu verbinden. Dem Vorgang traute ich nicht. Mittlerweile gibt es wohl recht effektive und auch zuverlässige Kleber, aber damals war ich mir nicht sicher. Und den Ärger, irgendwann im Bereich der geklebten Zone unter Wasser ein Loch zu haben, wollte ich mir ersparen.

 

Eine Schwierigkeit war, dass meine Frau hartnäckig darauf bestand, dass, wenn die Teiche unmittelbar beieinander sein sollten, eine kleine Brücke darüber führen müsste. Sonst sei der Umweg zu groß. Nun kann man sich streiten, ob im Garten eine Strecke von fünf Metern schon ein Umweg ist. Aber ich wollte mich nicht streiten.

 

Ein besonderer Reiz des Vorhabens sollte darin liegen, dass die neue Wasserstelle unmittelbar an die bereits vorhandenen anschloss, so dass Frösche, wenn sie Lust hatten, hin und her wechseln konnten, ohne die Absperrung gegen Katzen passieren zu müssen. Das heißt, das entstehende kleine Areal der vier „Teiche“ musste rundum durch Zäune so gut wie möglich abgesichert sein.

 

Kurzum, so schnell war ein neuer Teich nicht errichtet, so klein er auch werden sollte. Mit etwa 5000 Liter Wasser, die er später fasste, konnte er sich dann irgendwie schon sehen lassen. Vorerst aber blieb es bei der Planung. Der Sommer war angenehm, die Fische waren munter, also insgesamt günstige Voraussetzungen, die Idee immer wieder hin und her zu überdenken. Auch der Winter hinderte mich nicht, denn er fiel relativ mild aus, so dass ich nicht durch tägliches mühevolles „Eisbohren“ abgelenkt wurde. Und als das Eis überhaupt verschwunden war, lebten diesmal noch alle Fische.

 

So ging ich denn ab Mitte März an die Arbeit. Eine Grube auszuheben, die an einer Stelle wenigstens 1,50 Meter tief sein sollte, war für mich, der an einem Herzleiden litt, keine Sache von einem Tag. Der gemächliche Fortgang der Erdarbeiten brachte dann aber sogar so etwas wie Genuss mit sich. Überhaupt ist es für einen Menschen, der sein Leben lang im Wesentlichen geistig gearbeitet hat, echt etwas Schönes zu sehen, wie eine Neuerung langsam Gestalt annimmt. Das Foto zeigt eine Phase des mühseligen Baugeschehens...

 

 

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Leider hatten wir wieder einmal nicht genügend Geduld. Vor allem hatten wir partout vergessen, dass kaltes Wasser und neue Fische einfach nicht harmonieren.

 

Zu verstehen ist vielleicht, dass wir –nachdem der Bau des neuen Teiches begonnen hatte – bei jedem Einkauf im Center neugierig auch in die Zoologische Handlung gingen, um zu schauen, ob da etwa schon Koi angeboten wurden. Und als das der Fall war, verstiegen wir uns in die Idee, dass die kleinen niedlichen Koi ja durchaus zunächst in den Moderlieschen-Pool ausgesetzt werden könnten. Ich meine den flachen Teich, der zunächst den Fröschen vorbehalten geblieben war, dann mal kurzzeitig drei Goldfische beherbergte und in dem sich mittlerweile ein paar Moderlieschen tummelten. Dort drin war erprobtes Fisch-Wasser, während der neue Pool eigentlich zunächst nur reines Leitungs-Wasser aufweisen würde, selbst wenn ich ihn mit ein bisschen Fisch-Wasser aufmuntern würde.

 

So kamen wir denn eines Tages, es war etwa Anfang April, mit drei kleinen Koi zu Hause an. Einer schöner als der andere. Der erste golden, der zweite silberweiß, der dritte rotschwarz. Man würde die Tiere sehr gut unterscheiden und vor allem sehr gut sehen können. Einigermaßen erwartungsvoll standen wir also da mit unserem Einkauf in der Tüte und gingen selbstverständlich davon aus, dass, wo sich Moderlieschen wohl fühlen, auch Koi Spaß haben.

 

Zu unserer Entschuldigung muss ich vorbringen, dass wir für die Eingewöhnung der Tiere wirklich alle Regeln beachteten. Das heißt, die drei Koi schwammen erst einmal in ihrer Tüte auf dem Wasser. Das hat freilich stets zur Folge, dass die kleinen Biester wie irre an den Wänden entlang schwimmen, weil sie natürlich nicht begreifen können, dass zwar ringsum Wasser ist, sie aber dennoch nicht vorankommen. Das ist dann die vertrackte Situation, in der wir meist Mitleid bekommen und die vermeintliche Tortur abkürzen. Diesmal waren wir hart.

 

Als dann aber vierzig Minuten verstrichen waren, sparten wir uns das Zeremoniell, nun auch noch das Wasser langsam zu mischen. Das heißt, wir entließen die drei Neulinge nun einfach in ihr neues Element. Und erlebten eine böse Überraschung.

 

Die drei Mini-Koi erstarrten prompt wie vom Blitz getroffen und bewegten sich nicht mehr. Da der Moderlieschen-Pool nicht so sehr tief ist, nur etwa 70 Zentimeter, und das Wasser noch winterklar war, konnten wir alles genau beobachten. Entsetzlich! So salzsäulig starr wie die Fische im Wasser standen wir draußen davor und hofften, es würde sich noch alles richten. Aber außer hilflos-amokartigen Sprüngen unternahmen die Fische nichts. Sie spreizten ihre Schwimmflossen starr ab wie Stützen fürs Hocken auf dem Grund. Das sah überhaupt nicht gut, im Gegenteil, das sah nach Katastrophe aus.

 

Heraus mit den Fischen! Ich weiß nicht mehr, wer es zuerst forderte. Glücklicherweise hatten wir gerade eine Plastiktonne sauber parat. Sie wurde schnell mit Sand für den Grund und Teichwasser aufgefüllt. Dazu Warmwasser, auch etwas Wasserpest. Und schließlich die Fische hinein. Sie ließen sich willenlos herausfangen. Aber auch in ihrem neuen Domizil verharrten sie reglos auf dem Grund. Der Schock saß tief.

 

Wieder einmal begannen Tage des Hoffens und Bangens. Vorsorglich bauten wir die kleine Luftpumpe auf und gaben dosiert, um das Wasser nicht zu toll aufzuwühlen, Luft hinein. Nach ein, zwei Tagen schienen sich die Fische vom Stress erholt zu haben. Jedenfalls schwammen sie am Grund und hatten sich also aus ihrer Starre gelöst. Dies festzustellen, fiel nicht eben leicht, weil wir sie möglichst nicht stören wollten.

 

Nach wohl fünf Tagen waren wir echt glücklich, denn die drei Koi schwammen nur wenig unter der Wasseroberfläche und tauchten hurtig ab, sobald wir herantraten. Das Schlimmste schien überstanden. Wir gaben kleine, ganz kleine Portionen Trockenfutter hinein und freuten uns wie Kinder, als die Fische die Nahrung annahmen.

 

Aber nach einer Woche kurvte der silberweiße Koi irgendwie seltsam herum. Es sah so aus, als verliere er ab und zu ganz kurz das Gleichgewicht. Einen Tag später lag er verquer auf dem Grund, und ich war schon geneigt, ihn heraus zu fischen, damit er nicht eventuell die anderen ansteckt, sofern da etwas Ansteckendes im Spiele war. Höchstwahrscheinlich aber hatte er einfach nicht Kraft genug, die erlittenen Strapazen zu kompensieren.

 

Noch einmal raffte sich der Kranke auf, schwamm einen Tag wieder ganz passabel herum. Wir hatten schon begonnen zu hoffen, er könne genesen. Am nächsten Tag lag er tot auf dem Grund. Das war kein guter Auftakt mit Koi!

 

Wir konnten das Debakel nur dadurch in etwa aufwiegen, dass wir schnell für Ersatz sorgten. Doch welch Dilemma! Ein so schön silbrig-weißer Koi war derzeit einfach nicht wieder zu haben. Hätten wir uns an der Farbe sozusagen festgebissen, wäre der Kummer nur noch ärger geworden. So entschieden wir für einen ausgesprochenen Silberling. Und im Kaufrausch ließen wir uns sogar noch einen rotblauen Koi eintüten.

 

In der Zwischenzeit war der Aushub des neuen Teiches nur schleppend vorangegangen. Kein Wunder, denn der Elan war angesichts der jüngsten Fisch-Katastrophe natürlich gebremst worden. Als nun gar vier Koi einigermaßen mobil in ihrem Plastik-Provisorium herumschwammen, mobilisierte dies zu neuem Tatendrang.

 

Besondere Sorgfalt verwendete ich darauf, die Hänge in die Tiefe möglichst steinfrei zu halten. Das ist tückisch. Wenn erst einmal Wasser die Folie an die Wände drückt, kann ein kleiner, durch den Druck herausspießender Stein zum Verhängnis werden, selbst wenn zusätzlich weicher Filz zwischengelagert wird. Statt nun die Folie zu verlegen, die, als Rolle herangeschafft, schon geraume Zeit auf ihre Verarbeitung wartete, stürzten wir uns in eine andere Aktion.

 

Es war wärmer geworden, also kein Grund mehr, die Koi in ihrem engen Behältnis zu belassen. Wir setzten sie erneut in den Moderlieschen-Pool aus, wo sie zwar nun nicht mehr erstarrten, aber erst einmal verschwanden. Das war irgendwie sogar eine Leistung, denn so viele Verstecke hatte es da nicht. Und Koi sind viel weniger getarnt als etwa die Moderlieschen. Immer, wenn sich einer blicken ließ, frohlockten wir wie Kinder und freuten uns auf den Tag, an dem sie in ihr eigentliches Domizil umquartiert werden würden.

 

Bei der Gelegenheit mochte es gewesen sein, dass wir schon wieder einmal ans Kaufen dachten. Vielleicht hing es auch damit zusammen, dass das mittlerweile zu besichtigende tiefe Loch im Garten so imposant aussah. Vier Koi, schien uns, würde zu wenig sein, selbst wenn wir davon ausgingen, dass sie ja wachsen würden. Das heißt, wir waren in der Frage sozusagen positiv gestimmt. Also zog uns die Zoologische Handlung im Center wieder einmal magisch an, und schon standen wir vor den Becken.

 

Allerdings sollten es nicht noch mehr Koi sein. Wir entschieden, die Truppe um zwei Schleierschwänze zu ergänzen, einen schwarzen und einen roten. Die niedlichen Biester, die so ausgesprochen unbeholfen schwimmen, würden das Teichbild wunderbar beleben. So kam es denn auch. Im Moderlieschen-Pool, wo sie wie die anderen Zwischen-Station zu machen hatten, verschwanden sie auch erst einmal in die Tiefe, dann kurvten sie mal mit den Koi herum, meist zuckelten sie solo.

 

Es kam der Tag, an dem die Folie verlegt werden sollte. An sich scheint das unkompliziert. Aber es empfiehlt sich schon acht zu haben, dass die Bahn beim ersten Versuch nach allen Seiten reicht, man also nicht hin und her zerren muss, an einer Stelle gar etwas fehlt. Die Stunde der Wahrheit schlägt, wenn das Wasser hineinläuft. Es drückt nämlich die Folie nach unten und in alle Ecken, so dass es passieren kann, dass sie oben am Rande an einer Stelle auf einmal knapp wird. Gut disponiert hat auf alle Fälle der, der nicht herumkleben und -flicken muss.

 

Gut disponiert hat auch der, der feststellt, dass der Wasserspiegel schließlich gleichmäßig steht, also das kostbare Nass nicht schon an einer Stelle überläuft, während es an einer anderen das Ufer noch gar nicht erreicht hat. Mein Knackpunkt war der Überlauf bei der zu errichtenden kleinen Brücke. Ich hatte ja geplant, so eine Art Kaskade zu errichten mit dem Ziel, später einmal vom Frosch-Pool unten das Wasser hoch zum Koi-Teich zu pumpen, von wo es über den Goldfisch-Teich zurück in den Frosch-Pool laufen sollte. Das Vorhaben schien geglückt. Als der neue Teich randvoll gefüllt war, begann das Wasser an der Stelle überzulaufen, an der ich es vorgesehen hatte.

 

Solch Erfolg selbst bei einem kleinen Bauwerk verschafft einem Genugtuung. Und man geht selbstverständlich davon aus, dass die Fische dies dann auch anerkennen, indem sie beispielsweise zeigen, wie wohl sie sich fühlen. Das setzt allerdings entsprechend gutes Wasser voraus, was frisches Leitungswasser nicht unbedingt ist. Das hieß, der neue Teich musste einige Zeit sich selbst überlassen bleiben, bis Fische hinein gegeben werden durften. Hätte ich damals schon über einen Prüf-Set verfügt, mit dessen Hilfe ich den sogenannten PH-Wert des Wassers hätte bestimmen können, wäre ich vielleicht weniger zögerlich gewesen. Ohne solch Hilfsmittel schien es mir sinnvoll, ein wenig zu warten, bis zum Beispiel Mücken ihre Eier abgelegt haben.

 

Als wir schließlich glaubten, die Zeit sei gekommen, die Übersiedlung vorzunehmen, ergaben sich überraschende Schwierigkeiten. Die Fische waren nämlich gar nicht gewillt, uns ins Netz zu gehen. Unvermutet hatten sie in dem kleinen Moderlieschen-Pool mehr Ausweichmöglichkeiten, als ich in Erinnerung hatte. Einige Steine am Grund verhinderten, dass man da unten mit dem Netz so ohne weiteres entlang streichen konnte.

 

Das heißt, schon nach dem ersten misslungenen Versuch waren alle Fische gewarnt und verschwunden. Unverhofft zog sich die Aktion über einige Tage hin. Immer wieder mussten wir warten, bis die Fische vergessen hatten, dass wir es auf sie abgesehen hatten. Sobald wir dem Wasser mit dem Netz näher kamen, machten sie sich rar. Natürlich riss da schon mal die Geduld. Aber etwa mit dem Netz wild und ungestüm hinter einem Fisch her zu sein, half gar nichts. Der war auf alle Fälle schneller. Außerdem wirbelte solch Ungestüm stets so viel Mulm vom Grund auf, dass wir geduldig warten mussten, bis da unten wieder etwas zu sehen war.

 

Einmal mittags, als wir Alten ein bisschen ruhten, hatte unsere Tochter eine glückliche Hand. Angesteckt von der Idee, hinter unserem Rücken erfolgreich zu sein, griff sie zum Netz und schaffte es doch tatsächlich, nacheinander zwei Fische zu fangen. Ich beobachtete sie unauffällig. Sie freute sich diebisch in der Erwartung, dass wir ganz schön staunen würden. Was wir denn auch taten. Ich war mittlerweile froh, dass sie mir die Mühe abnahm.

 

Bei der Aktion machten wir eine wunderschöne Beobachtung. Es hatte sich ergeben, dass wir wahrscheinlich wegen seiner Unbeholfenheit den kleinen schwarzen Schleierschwanz als ersten Fisch gefangen und hinüber in den neuen Teich gegeben hatten. Dort war er zwar prompt abgetaucht, doch weil das Wasser noch frisch und klar war, konnten wir ihn gut sehen. Als wir zwei Tage später den kleinen roten Schleierschwanz erwischt und in den neuen Teich gesetzt hatten, gab es dort eine regelrechte Begrüßungs-Zeremonie. Die zwei schwammen, als sie sich begegneten, minutenlang umeinander herum. Fast hätte man sagen können, der schwarze begrüßte und küsste seinen wiedergefundenen roten Partner. Und der erwiderte die Begrüßung als würde er sagen: "Mensch, da bist du ja endlich! Wo bist du denn gewesen?"

 

Es geschieht übrigens oft, dass man geneigt ist, tierisches Verhalten menschlich zu interpretieren. Und es war schon erregend zu beobachten, wie die jeweils neu Ausgesetzten von den bereits Anwesenden regelrecht begrüßt wurden. Dass die Fische ganz offenbar erfreut waren, sich wiederzutreffen – ich bleibe bei solcher Auslegung -, regte uns so an, erstmals ernsthaft dazu überzugehen, ihnen Namen zu geben. Meine Tochter engagierte sich besonders. Den goldenen Koi nannte sie "Goldbarren", den silbernen "Silberpfeil" und den rot/schwarzen "Undine". Den roten Schleierschwanz taufte sie "Little Girl" und den schwarzen "Little Boy".

 

Mithin, das neue Fisch-Paradies schien nur Freude zu machen. Kein Wunder, dass wir wieder einmal von Zuwachs träumten. Schon geraume Zeit waren uns in Zoologischen Handlungen die Shubunkin-Goldfische als recht bunte Gesellen aufgefallen. Sie würden ohne Zweifel das Bild unseres Teiches bereichern.

 

Also zogen wir los, um zu kaufen, und kehrten prompt mit drei Neuerwerbungen zurück. Ein Schwarz/rot/hellblauer hatte eine so markante schwarze Augenklappe, dass er spontan den Namen "Käpt'n Huck" bekam. Ein anderer, ziemlich roter mit schwarzen Punkten, wurde zum "Feuerteufel" ernannt, und ein fahl Weißer mit wenig rosa Färbung am Kopf (siehe Foto) zum „Schlafrock“.

 

 

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Wie das meist so ist: Sobald man wähnt, Harmonie sei stabil und dauerhaft, zerstört irgendein Verhängnis die Idylle. Es war ohnehin schon viel zu lange alles zu gut gegangen. Zum Beispiel hatten wir auch drei erwachsene Moderlieschen, die im kleinen Frosch-Pool überlebt hatten, dort heraus gefangen und in unseren neuen Teich gegeben. Bald sahen wir mit Genugtuung, dass sie sich dort wohl fühlten. Sie tanzten mit großer Intensität um drei, vier Blätter einer Schilf-Pflanze, die wir zur Bereicherung des Teiches angeschafft hatten. Das ging so mehrere Tage. Offenbar legten sie Eier ab.

 

Als sich die Koi und die Shubunkin für den Nachwuchs der Moderlieschen interessierten, indem sie immer wieder die Schilfblätter abnagten, standen wir ratlos davor. Was war da zu tun? Wir fütterten etwas intensiver, aber die Frischkost schien ihnen besser zu munden. Unsere Hoffnung, Nachwuchs zu bekommen, sank auf null.

 

Ich musste beim nachmittäglichen Kaffee-Tisch am Teich immer wieder betonen, dass die „Fresserei“ der Fische ganz und gar natürlich sei. Und im übrigen, was noch viel wichtiger war, konnten wir Nachwuchs nicht unbedingt brauchen. Schließlich war im Teich nicht unbegrenzt Platz. Wohin also mit vielleicht Hunderten heranwachsenden Moderlieschen? Nein, diese natürliche Auslese ging ganz in Ordnung.

 

Umso alarmierender war eines Tages die Entdeckung, dass im seichten Gewässer ein Pulk von etwa zwanzig, dreißig Winzlingen herumschwamm. Sie waren jeder kaum größer als vier, fünf Millimeter. Noch alarmierender war der Gedanke, es könnten vielleicht gar Koi oder Shubunkin sein. Ich widersprach heftig. Diese Fische waren meines Erachtens noch viel zu jung. Sie konnten nicht zuständig sein für den Nachwuchs, der da plötzlich den Teich bevölkerte.

 

Aber natürlich war Gewissheit nur dadurch zu gewinnen, dass wir die Winzlinge heranwachsen ließen. Wir hatten also ein wachsames Auge auf sie. Es durfte ihnen einfach nichts geschehen. Das ging so ein, zwei Wochen ganz gut. Die Minis hatten jetzt wohl schon eine Länge von sieben, acht Millimeter und hielten sich erfreulicherweise brav immer im seichten Gewässer auf, das durch große Steine vom übrigen Teichraum etwas abgesondert ist.

 

Entsetzen geradezu, als wir eines Tages an den Teich traten und sahen, dass sich die ganze Meute der großen Fische im seichten Gewässer herumtrieb und offenbar Mahlzeit hielt. Das war uns nun doch nicht so recht. Da die Fische bei unserer Annäherung sofort das Weite gesucht hatten, das heißt nach unten davongeschwommen waren, schien das Ärgste erst einmal abgewendet. Zumal wir sahen, dass Winzlinge durchaus noch vorhanden waren.

 

Uns wurde bewusst, dass wir den möglichen Nachwuchs irgendwie ins Herz geschlossen hatten. Also sannen wir, wie er vielleicht zu schützen sei. Viele Möglichkeiten gab es nicht. Die Schar der Winzlinge herauszufangen, schien uns keine Lösung. Zumal nicht gewiss war, dass wir alle erwischen würden. Ein paar wenigstens fingen wir heraus und gaben sie in den Frosch-Pool. Für die verbleibenden Nachwüchsler errichteten wir mit Steinen eine Art Wall gegen die Großen.

 

Dass wir eine Falle errichtet hatten, begriffen wir erst später. Zunächst schien alles bestens. Der Nachwuchs hatte inzwischen so in etwa stattliche zehn Millimeter pro Exemplar. Alles Bemühen allerdings herauszufinden, um welche Sorte es sich handelte, war vergebens. Es blieb eine spannende Frage.

 

Wir hätten stutzig werden sollen, als wir eines Tages an den Teich traten und sahen, wie zwei Koi vergebens versuchten, schnell aus dem seichten Gewässer in die Tiefe abzutauchen. Sie scheiterten zunächst an unserer Barriere, die sie zuvor offenbar irgendwie überwunden hatten. Auf dem Rückweg, in Eile und aufgeregt, fanden sie so schnell nicht das Schlupfloch. Als sie es gefunden hatten, kannten wir es auch und versperrten es.

 

Wie viele Tage vergangen sein mochten, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls fehlte beim Füttern ein Fisch, und zwar der Silberpfeil. Nun war das zwar aufregend, aber noch nicht dramatisch; denn es kam schon mal vor, dass sich ein Fisch unter der Brücke aufhielt und einfach verpasste, zur Fütterung zu kommen. Als er am nächsten Tag wiederum fehlte, wurden wir unruhig. Was war geschehen?

 

Das Fehlen des Silberpfeils war nicht zu erklären. Da er nicht tot im Wasser trieb, konnte er nur irgendwo in der Tiefe festgehalten werden. Was unwahrscheinlich war. Oder ein Dieb hatte ihn uns entwendet. Was schauerliche Gewissheit wurde! Meine Frau entdeckte nämlich mit durchaus kriminalem Instinkt an der Uferzone zwischen den Steinen mehrere silbrige Schuppen. Die konnten nur vom Silberpfeil stammen. Was hatte sich abgespielt?

 

Die Rekonstruktion des Falles führte uns zu der Erkenntnis, dass der Fisch offenbar im seichten Gewässer auf Nahrungssuche gewesen war und nicht entwischen konnte, als eine Katze vom Ufer aus nach ihm schlug. Ihr war das offenbar gelungen, weil sich der Fisch gezwungenermaßen nahe am Ufer aufhielt. Das war eine bittere Erfahrung!

 

Sofort entfernten wir die Stein-Barriere im Wasser. Und ich begann, die Ufersicherung zu verstärken. Bisher hatte sie ohne Zweifel gut funktioniert. Mehrfach hatten wir Katzen beobachtet, die an die Fische heranzukommen versuchten. Aber wenn sie ihren Kopf unten durch den Plastik-Zaun steckten, blieben die Pfoten draußen. Und umgekehrt. Wenn sie zuerst die Pfote vorstreckten, kamen sie mit dem Kopf nicht hinterher. Möglicherweise gab es da jetzt in der Nachbarschaft eine kleine wendige Katze, der mein Zaun kein Problem machte. Ich begann also, mit dünnem Draht noch einmal alle Zwischenräume abzusichern.

 

Der Schutz unserer Großen war erst einmal wichtiger, als die Winzlinge über die Runden zu bringen. Nachdem die Barriere aus dem Wasser entfernt war, wurde der Nachwuchs Tag für Tag dezimiert. Wir waren machtlos, und trösteten uns damit, dass ja ein paar Winzlinge im Frosch-Pool herumschwammen. Den Verlust des Silberpfeils überwanden wir nicht. Es fehlte ganz deutlich ein Farbtupfer im Reigen unserer Fische. Es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis wir auszogen, einen neuen Silberpfeil zu kaufen.

 

 

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