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„Katastrophen im Gartenteich“

14. Kapitel

 

 

 

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Eiszeit

 

Der Winter, von dem nun zu berichten ist, war hart. Schon im November bildete sich eine Eisdecke, die nicht wie sonst üblich noch einmal aufbrach oder gar wegtaute, sondern stabil blieb und immer tiefer wuchs. Ich stellte das bei meinen täglichen Bohrungen besorgt fest.

 

Bis dato hatten wir uns noch nicht zu einer vom Handel angebotenen Methode entschließen können, etwa zum Einsatz solcher Styropor-Kuppeln, die angeblich eisfrei halten. Ein aufrichtiger Händler riet uns ab. Das Verfahren, solche Kuppel durch Schlauch und Motorpumpe zu potenzieren, indem warmes Wasser nach oben geholt wird, kannten wir noch nicht.

 

Kurzum, ich bohrte jeden Tag per Schraubenschlüssel mit einer großen langen Schraube ein Loch ins Eis. Obgleich das mühselig ist, geht es relativ einfach, zumindest so lange das Eis nicht dicker als zehn Zentimeter ist. Sobald tiefer gebohrt werden muss, wird die Sache aufwendig. Immer wieder rutscht man mit dem Schlüssel ab, muss neu ansetzen und plagt sich herum.

 

Bei strengem Frost, wenn das Eis über Nacht in die Tiefe gewachsen ist, drückt der im Teich entstandene Druck allerhand Wasser aus dem Bohrloch, sobald man die Schraube zurückholt. Ich hoffe dann immer, dass mein Einsatz die Fische erfreut, weil der nachlassende Druck logischerweise ihre Schwimmblasen entlastet.

 

Allzu viel frische Luft allerdings kommt durch das kleine Bohrloch gewiss nicht nach unten. Daher puste ich per dünnem Schlauch gern zusätzlich Luft unter die Eisdecke. Ein guter Trick wäre, ein bisschen Wasser abzusaugen, um den Wasserspiegel unter dem Eis etwas abzusenken und so den Teich maximal zu belüften. Aber dafür fehlte mir eine entsprechende Pumpe. Das Wasser mit dem Mund anzusaugen, ist nicht gerade zu empfehlen; übrigens auch nicht eben wirksam, weil ja ein Abfluss wegen des fehlenden Gefälles nicht zustande kommt.

 

In diesem Winter hatte die Eisdecke bereits im Dezember eine Dicke von etwa zwanzig Zentimeter erreicht. Das hieß, die Bohrerei wurde zur echten Plagerei. Die Länge meiner Schraube reichte gerade noch hin, durchs Eis zu kommen. Im Januar, es war allerhand Schnee gefallen, das Bohren also noch beschwerlicher geworden, maß das Eis dreißig Zentimeter. Es blieb keine andere Möglichkeit, als das Bohrloch jeden Tag neu vorzubereiten, indem ich Eis herausklopfte. Hatte ich etwa zehn Zentimeter Tiefe erreicht, begann ich zu bohren.

 

Aber auch mit dieser Methode erreichte ich das Wasser nicht mehr. Für das letzte Stück nahm ich einen Grillspieß, den ich ins Bohrloch steckte und dann mit dem Hammer weitertrieb. Stets schoss, sofern ich durchgedrungen war und den Spieß zurückgezogen hatte, Wasser hervor wie bei einem Springbrunnen.

 

Ob meine tägliche Quälerei noch Sinn hatte, wusste ich nicht. Ich muss erinnern, dass ich ja nicht nur einen Teich zu belüften hatte, sondern vier. Und eigentlich sogar fünf! Denn der Teich, den mein Sohn vor Jahren angelegt hatte, existierte ja auch noch. Und just mit diesem Tümpel passierte mir ein arges Missgeschick. Was sich freilich erst im Frühjahr zeigte.

 

Das Problem ist, dass man, wenn erst einmal Eis und Schnee solch kleinen Teich überdeckt, nicht mehr recht weiß, wo da unten die verlegte Folie welche Falten macht. So kann es geschehen, dass man glaubt, ins tief gefrorene Wasser zu bohren, in Wirklichkeit aber durchlöchert man die Folie. Die Katastrophe bringt dann das Tauwetter gnadenlos an den Tag. Ist das Eis erst einmal geschmolzen, fließt das Wasser bis zu der Stelle ab, an der man gebohrt hatte. Und wer glaubt, es ließe sich dann im Frühjahr relativ leicht feststellen, wo das Loch sitzt, der irrt. Man muss die Folie von außen mühselig Segment für Segment absuchen, um die Stelle zu finden, wo das Wasser wegläuft.

 

Das Ärgernis – um das hier vorwegzunehmen – ereilte uns völlig unerwartet. Zu meinem Entsetzen sank der Wasserspiegel bei Tauwetter fast um die Hälfte. Und zunächst konnte ich es mir überhaupt nicht erklären. Denn natürlich hatte ich längst vergessen, dass ich vor Wochen bei schlimmem Frost da mal herum gebohrt hatte. Doch dann begriff ich und beichtete meinem Sohn. Der begann geduldig, die Stelle zu suchen. Er hatte Glück. Er fand zwei Löcher und es gelang ihm, sie abzudichten.

 

Was die anderen Teiche betrifft, muss ich bekennen, dass ich in diesem strengen Winter nahe daran war, völlig zu kapitulieren. Den Frosch-Pool, den ja auch einige Moderlieschen bevölkerten, gab ich auf. Sollte ein Frosch dort zu überwintern versuchen, konnte ich ihm nicht helfen. Schließlich musste er selbst dafür sorgen, sich für den Winter genügend tief einzurichten. Beim Moderlieschen-Teich war fast gewiss, dass Bohren keinen Zweck mehr hatte, weil das Eis ohne Zweifel bis zum Grund reichte. Sollte es dennoch da unten ein paar eisfreie Stellen geben, wohin sich Moderlieschen hatten retten können, wäre ihnen das zu gönnen. Ansonsten mussten sie schweren Herzens als Verlust abgebucht werden.

 

Mit letzter Kraft bohrte ich jeden Tag im Koi- und im Goldfisch-Teich. Viel Sinn schien auch das nicht mehr zu haben. Als ich zu allem Überfluss Mitte Januar auf dem Eis ausglitt und mir einen Fuß brach, war endgültig alle Hoffnung dahin. Einigermaßen verzweifelt hockte ich mit Gipsbein im Hause. Glücklicherweise ließ die Strenge des Frostes in jenen Tagen nach, so dass die Eisdecke wenigstens nicht weiter zunahm. Was sich darunter in den Teichen tat, war allerdings erst einmal zweitrangig geworden. Ich hatte andere Sorgen.

 

Anfang März endlich stand ich am Rand der Teichbecken und stocherte mit einer Krücke im noch kaum brüchigen Eis herum. Würde noch Leben da unten sein? Ich muss gestehen, dass mir damals wichtiger war, erst einmal selbst wieder auf die Beine zu kommen. Würden noch einige Fische leben, wäre das selbstverständlich schön. Sollten sie alle gestorben sein, hieße dies, ernsthaft zu fragen, ob es nicht ratsam sei, endgültig die Finger von Fischen zu lassen. Frösche würden gewiss wieder auftauchen, und das müsste uns dann eben genügen.

 

Erste Gewissheit ergab sich beim Moderlieschen-Teich. Sobald das Eis schmolz und Wasser frei gab, entdeckten wir tote Fische. Wir nahmen sie stumm heraus und vergruben sie im Komposthaufen. So etwa zwei, drei Dutzend Leichen mögen es gewesen sein. Da Moderlieschen nun mal recht unscheinbar aussehen, zumindest wenn sie noch nicht erwachsen sind, geht einem solch Debakel nicht so fürchterlich zu Herzen. Zumal wir nun doch schon etwas abgehärtet waren.

 

In aller Ehrlichkeit muss ich an dieser Stelle zugeben, dass es natürlich fahrlässig war, in dem relativ flachen Teich Fische überwintern zu lassen. Das geht ein, zwei Mal gut, dann kommt ein deftiger Winter, und nichts ist zu retten. So war es passiert. Im Frosch-Pool, auch nicht viel tiefer als der Moderlieschen-Teich, hatte es etwa ein Dutzend Moderlieschen getroffen. Und einen kleinen Frosch!

 

Das war nun freilich nicht unbedingt unsere Schuld! Gewiss, solch künstlicher kleiner Teich aus Plastik, selbst wenn man ihn am Grund mit einer dicken Erdschicht ausstattet, bietet einem Frosch wenig Möglichkeit, sich tief einzugraben. Aber müsste er nicht von der Natur befähigt sein zu spüren, dass das Winterquartier, das er gewählt hat, nicht ausreicht?

 

Übrigens stellten wir im Laufe der Zeit fest, dass Frösche unterschiedlich entscheiden können. Einmal gar trieben sich bei ausbrechendem Nachtfrost Winzlinge, die noch eben Kaulquappen gewesen waren, am Ufer herum. Einen Tag später steckten sie inmitten der frischen Eisdecke fest. Sollte man sie befreien? Natürlich haben wir geholfen. Aber was taten sie? Sie tauchten nicht etwa in die Tiefe ab, sondern bevorzugten auch weiterhin die Uferzone. Als strenger Frost kam, waren sie verschwunden. Haben sie überlebt? Wir wissen es nicht. In solchem Falle ärgern wir uns immer, dass wir die Frösche nicht kennzeichnen können. Aber das würde natürlich den Tieren nicht helfen. Mithin: Sie müssen selbst sehen, wie sie über den Winter kommen!

 

Was die Fische betrifft, konzentrierte sich unser Interesse logischerweise auf die beiden größeren Teiche. Vielleicht kann man das nicht nachvollziehen – nach diesem Winter war jeder Fisch, der die Eiszeit überstanden hatte und den wir lebend sichteten, eine echte schöne Sensation. Nicht dass wir mit Sekt angestoßen hätten, aber unser Selbstverständnis wuchs, es weiterhin mit Fischen zu versuchen.

 

 

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