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Katastrophen im Gartenteich

16. Kapitel

 

 

 

 

Rätselhaftes Sterben

 

Stets bekundeten unsere Kinder ihr Mitgefühl, wenn ich ihnen schilderte, wie ich mich im Winter beim Eisbohren quälte. Gelegentlich halfen sie sogar, so dass sie durchaus eine Ahnung hatten, wovon ich sprach. Ihre Entscheidung fiel, als ich mir zu allem Überfluss beim Eisbohren ein Bein gebrochen hatte. Sie schenkten mir zwei Eisfreihalter. Und zwar solch weiterentwickelte Styropor-Kuppeln, nämlich mit Schlauch nach unten und einer Wasserpumpe daran, die warmes Wasser nach oben holt, wo es die Kuppel umspült und darum herum eine kleine Zone eisfrei hält. Auf den ersten Blick eine wirklich feine Sache.

 

Bei der Montage stellte sich heraus, dass die mitgelieferten Schläuche für meine Teiche zu lang waren, sie also etwas gekürzt werden mussten. Schon da hätte ich wahrscheinlich stutzig werden müssen. Aber ich schnitt einfach ein Stück ab und montierte die Apparate in die Teiche. Beim ersten Probelauf noch in eisfreier Zeit ließ sich alles passabel an. Die Pumpe holte Wasser von unten nach oben, das am Tellerrand munter plätscherte. Man konnte sich vorstellen, dass dadurch in Frosttagen Eisbildung verhindert wurde. Zumal ja das Wasser aus etwa einem dreiviertel Meter Tiefe wärmer sein musste als das an der Oberfläche.

 

Dass man mit Dauerbetrieb den gesamten Teich letztlich stärker abkühlen würde als ohne solch eine Wasser-Zirkulation, war in Kauf zu nehmen. Wobei die Anwendung allerdings desto kniffliger wird, je kleiner der Teich ist, den man eisfrei halten möchte. Wie soll man vorher herausbekommen, auf welche Temperatur das Wasser absinkt? Andererseits, das ist gewiss, sorgt die Erdwärme für passable Temperaturen da unten. Trotz solch skeptischer Vorsicht und allerhand Überlegungen hin und her, war ich zuversichtlich angesichts des bevorstehenden Winters. Ich würde erstmals nicht an jedem Frosttag Eis bohren müssen.

 

Als die kalten Tage kamen, lief alles ab, wie zu erwarten gewesen war. Um die Kuppeln herum sorgten die Pumpen mit ihrem warmen Wasser für eisfreie Zonen. Vorerst musste ich die Apparate gar nicht ständig laufen lassen. Es genügten ein, zwei Stunden pro Tag, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.

 

Doch nach acht Tagen strengem Frost, nachdem das Eis dicker geworden war, musste ich eines Morgens mit kräftigen Hieben nachhelfen, einen eisfreien Rand um die Teller herzustellen. Also entschloß ich mich, die Pumpen auf Dauerbetrieb zu halten. Womit es tatsächlich gelang, über die Tage des strengsten Frostes hinwegzukommen. Zwar musste ich bei anhaltendem Schneefall stets ein wenig nachhelfen, aber das war nicht so beschwerlich wie die Eisbohrerei.

 

Als im Frühjahr Tauwetter einsetzte, waren wir folglich ohne Sorge, was die Fische betrifft. Wir hatten konsequent für Wasserbewegung und also auch Sauerstoff gesorgt, mithin mussten die Fische in guter Verfassung sein. An den Stellen, an denen wir die Apparate entfernten, ergaben sich gute Gucklöcher durchs Eis. Das erste Lebewesen, das wir sichteten, war ein kapitaler Gelbrand-Käfer, einen Räuber, den wir nun wahrhaftig nicht ins Herz geschlossen haben. Dann endlich zog langsam ein Goldfisch am Guckfenster vorbei. Alles schien diesmal gut gegangen zu sein.

 

Als schon fast das gesamte Eis weggetaut war, und die zwei Goldfische langsam höher kurvten, warteten wir noch immer auf die zwei schwarzen Schleierschwänze. Sie waren im vergangenen Jahr noch einmal schön gewachsen und mittlerweile von durchaus stattlicher Figur. Umso befremdlicher war, dass wir sie nicht entdecken konnten.

 

Nachdem wir so etwa acht Tage vergebens Ausschau gehalten hatten, war klar, dass sie nicht mehr lebten. Doch wenigstens als Tote mussten sie immerhin noch im Teich sein. Wir waren wirklich wieder einmal arg genervt, denn wir hatten inzwischen das deprimierende "Vergnügen" gehabt, aus dem Koi-Teich drei tote Shubunkin herauszufischen. Und wir rätselten herum, was während des Winters unterm Eis vorgefallen sein könnte. Da die Fische keinerlei Bissverletzungen aufwiesen, konnten Gelbrand-Käfer schwerlich schuld sein. Nun also zu allem Kummer noch das Verschwinden der Schleierschwänze.

 

Ungeduldig nahm ich eine Stange und stocherte in den tieferen Randzonen des Teiches herum, wo Blätter lagerten, die wir im Herbst zu entfernen versäumt hatten. Und ich entdeckte einen toten Schleierschwanz. Er hatte sich mit dem Kopf in eine Spalte der Folie verkrochen, so dass nur noch der Schwanz zwischen den Blättern sichtbar war. Ich zog das tote Tier traurig nach oben. Wenig später fand ich auch den zweiten Leichnam. Auch dieser Fisch hatte den Kopf in eine Ritze gesteckt.

 

Lange haben wir darüber nachgedacht, was da wohl geschehen sein mochte. Die Position der toten Fische war so auffällig, dass wir darüber immer wieder ins Gespräch kamen. Bis ich eines Tages eine Erklärung fand, die durchaus nicht stimmen muss, die aber einleuchtend ist und deshalb hier auch kundgetan wird. Die Lage der toten Fische legte nämlich die Vermutung nahe, dass sie versucht hatten, einer Gefahr oder einer Belastung zu entrinnen. Was könnte das gewesen sein? Ich ahnte: Vermutlich der Lärm, den die Pumpe verursacht hatte!

 

Wenn man beobachtet, wie supersensibel Fische auf Geräusche selbst außerhalb des Teiches reagieren, kann man durchaus annehmen, dass ihnen das anhaltende Getöse der Pumpe in unmittelbarer Nähe im Wasser einfach den "Verstand geraubt" hat. Als ich diese Überlegung meiner Frau mitteilte, griff sie sie sofort auf und ergänzte, jetzt wüsste sie auch, weshalb die Shubunkin gestorben seien. Sie erklärte, die Shubunkin hätten die Knallerei zu Silvester nicht überlebt. Tatsächlich war damals um Mitternacht ein Knallfrosch auf dem Koi-Teich gelandet und hatte sich dort ausgetobt.

 

Leider kann uns kein Fisch sagen, was wirklich die Todesursache war. Wir sind geneigt, unserer Theorie zu glauben. Und das heißt, dass wir erst einmal auf Eisfreihalter verzichten.

 

 

eisfreihalter

 

 

Hinweis zum Foto:

Ein Eisfreihalter, wie er im Handel erhältlich ist. Links der Motor, der ins Wasser gelassen wird, in der Mitte der Schlauch nach oben zu der Kuppel, um die herum das empor gepumpte Wasser für Eisfreiheit sorgt. Bei großen Teichen mag der Lärm kein Problem sein...

 

 

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