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„Katastrophen im Gartenteich“
2.Kapitel
Rotfeder im Eimer
Vier, fünf Jahre mochten vergangen sein. Sohn
Peter hatte zwar lauthals verkündet, den "Pool" tiefer anzulegen, aber
ans Werk war er nicht gegangen. Als er in einem Frühjahr sogar einen toten Igel
aus seinem Pool zu Tage gefördert hatte, war ihm erst einmal alle Lust
vergangen. Irgendwann hatte er dann in Erfahrung gebracht, dass es spezielle
Teichfolie zu kaufen gibt. Da wir Eltern damals andere und weit dringendere
Probleme im Kopf hatten, waren wir bislang nicht aufmerksam geworden. Nun
ließen wir uns überreden, solche Folie herbeizuschaffen.
Eines schönen Tages also fuhren wir los, um
in einem Garten-Center einzukaufen. Noch unterwegs hatten wir nichts anderes im
Sinn als Folie für einen Frosch-Pool. Angesichts der zahlreichen kleinen und
großen Plastik-Becken aber, die in dem Garten-Center verlockend angeboten
wurden, änderten wir unser Programm. Plötzlich bewegte uns der Einfall, uns
einen kleinen Fischteich zuzulegen. Irgendwie stand das einfach auf der
Tagesordnung.
Unser Sohn weigerte sich nämlich kategorisch,
in seiner Pfütze irgendwelche Fische anzusiedeln. Bei ihm sollte Natur pur zu
beobachten sein. Er hatte die Hoffnung, ein größeres Wasserloch würde auch
Molche anlocken und vor allem Frösche dazu verführen, Hochzeit zu feiern.
Fische, erklärte er standhaft, würden da nur stören!
Während der Verkäufer die entsprechende Menge
Folie für den Sohn zurechtschnitt, es sollten vier Meter Länge bei drei Meter
Breite werden, beschaute ich mir die stabilen Plast-Teiche. Die Dinger waren
nicht unbedingt billig. Der Kauf selbst eines kleinen Beckens für ein passables
Fisch-Loch würde im Moment ein sogenanntes Haushalts-Loch verursachen. Aber wie
das meist so geht. Wenn man erst einmal Feuer gefangen hat, kratzt man den
letzten Groschen zusammen. Meine Frau war nicht abgeneigt. Auch sie reizte der
Einfall. Also fiel die Entscheidung noch vor Ort. Wir kauften ein achtzig Zentimeter
tiefes, etwa 250 Liter Wasser fassendes ovales Becken.
Bis zur Anlieferung musste nun schnell der
passende Platz vorbereitet werden. Wir entschlossen uns, den Mini-Teich in
unmittelbarer Nähe unserer Sitzecke anzulegen. Wir wollten beim gemütlichen
Kaffeetrinken unseren Fischen zuschauen können. Mit einiger Mühe zwar, aber
alsbald war ein gemäßes Loch ausgehoben.
Als
das Becken angeliefert wurde, musste es nur noch eingepasst werden. Das war
allerdings nicht ganz so einfach, wie wir uns das vorgestellt hatten. Wir
wollten die Hohlräume, die unter dem Becken unvermeidlich entstanden, mit Erde
zuschwemmen. Aber das klappte nicht. Das Wasser versickerte nämlich nicht so
schnell, wie es nötig gewesen wäre. Im Gegenteil, es hob das Becken immer wieder
hoch und aus der geplanten Position. Also gaben wir die Absicht auf, selbst
wenn möglicherweise Mäuse oder wer auch immer da unten angenehme Hohlräume
finden würde. Oder wenn sie gar „auf die Idee kämen“, das Plastebecken
anzuknabbern, hätten wir uns damit abfinden müssen. Was sie übrigens nie getan
haben. Nur einmal im Verlaufe der Zeit sah ich, dass sich ein Mäuschen da unten
irgendwie häuslich niedergelassen hatte. Aber es machte uns keinen Ärger.
Der künftige Frosch-Pool
Soeben wurde das
Becken eingepasst. Die Ruhepause ist verdient. Aber noch fließt kein Wasser.
Welch Vorgang eine Überraschung bringen wird...
Übrigens steht hier
links noch eine zwar junge, aber schon von Käfern befallene Trauerweide. Wir
mussten sie entfernen.
Und im Hintergrund ist ein Holzspalier zu sehen, an
dem Heckenrosen gewachsen waren. Wir opferten es, als wir später weitere Teiche
bauten...
Jetzt beim Bau konzentrierten wir uns darauf, das Becken waagerecht zu
platzieren. Obwohl wir x-mal mit der Wasserwaage hantierten, stellte sich, als
wir schließlich Wasser einließen, heraus, dass wir doch nicht präzis genug
gewesen waren. So eilig man es hat, solch kleines Werk zu vollenden – von jeder
Hast ist abzuraten.
Noch
bevor es "Wasser Marsch!" heißen konnte, musste eine Schicht
Teichgrund eingebracht werden. Nackt und bloß sollte unser Teich nicht sein.
Und da es die passende Teicherde in ansehnlichen Säcken zu kaufen gibt, sorgten
wir denn für die unseres Erachtens gemäße Menge, fügten auch noch ein bisschen
Sand aus unserem Grundstück hinzu. Sand brauchen die Fische zum Gründeln. Und
bei uns sollten sie auf nichts verzichten.
Welche Überraschung nun aber, als wir endlich
begannen, Wasser einzulassen. Obwohl wir ganz vorsichtig vorgingen, also jeden
festen Strahl vermieden, schien es fast, als hätten wir nicht Teichgrund
gekauft, sondern schwimmenden Holzmulch. Ratlos standen wir um unsere neue
Errungenschaft herum. So hatten wir uns das nicht vorgestellt. Hatten wir zu
hohe Ansprüche? Hatten wir etwas falsch gemacht? Je mehr Wasser hineinlief,
desto mulmiger wurde die Brühe. Wir trösteten uns mit der Hoffnung, dass die
Teicherde sich voll Wasser saugen und also schließlich absinken würde. Was nach
zwei, drei Tagen bangen Wartens wirklich geschah.
Wie auch immer - die
undurchsichtige Lorke enttäuschte uns erst einmal maßlos. Dennoch war ein
Zustand erreicht, der unerwartet neue Überlegungen provozierte. Schließlich
hatten wir noch keine Fische gekauft. Denn zuerst hatte der Mini-Teich gebaut
werden müssen. Aber nun war er fertig, und kein Lebewesen darin. Abgesehen
vielleicht von ein paar Mückenlarven.
Sohn Peter kam auf die rettende Idee. Seine
neue Folie war verlegt, eine schmucke kleine Pfütze entstanden, aber ein Frosch
noch nicht eingetroffen. Jetzt sprach er aus, was ihn offenbar schon lange
bewegte. Er schlug vor, von einem nahen Tümpel im Wald ein paar Kaulquappen zu
holen. Das sollte man zwar nicht tun, gewiss doch, aber da dieser Tümpel im
Sommer immer austrocknete, waren die Kaulquappen dort sowieso reine
Todeskandidaten. In unseren Pfützen hingegen, für deren Wasser wir sorgen
würden, hätten sie das reine Paradies! So zog Peter denn los.
Als er mit einem halbvollen Eimer trüben
Teichwassers zurückkehrte, wollten wir ihm nicht glauben, dass da Kaulquappen
drin schwammen. Vorsichtig kippte er den Eimer aus, und just in dem Moment
erblickte ich für Sekunden-Bruchteile etwas Silbriges, das mit dem Schwupp
Brühe im Teich verschwand. Ich äußerte meine spontane Vermutung, dass ein Fisch
dabei gewesen sein könnte. Unser Sohn hielt das für unmöglich. Er hatte, wie er
berichtete, den Eimer einfach in ein Wasserloch gestülpt, dem letzten Rest
Wasser im Tümpel, in dem sich Kaulquappen quälten. Einen Fisch aber hatte er
nicht gesehen.
Nun stand und saß die ganze Familie den
lieben langen Tag um unseren Teich herum, starrte hinein und hoffte, einen
Fisch zu sehen. Aber da war nichts zu sehen. Jedenfalls kein Fisch. Kaulquappen
hingegen tauchten ab und zu aus dem Modderwasser am Rande auf, zogen sich aber
stets sofort wieder in die schützende Tiefe zurück. Womit sie uns im Grunde
klar machten, wie sehr sie hier neugierigen Katzen ausgeliefert waren.
Es half alles nichts - es
musste ein Schutz her. Noch bevor wir am Wochenende wieder stadtwärts zogen,
musste der Teich gründlich abgeschirmt werden. Eine Portion Glasfaser-Stäbe,
eigentlich als Halt für Pflanzen gedacht, wurde in gebührendem Abstand ringsum
gesteckt und die Zwischenräume mit Schnuren und Drähten verbunden. Das sah am
Ende zwar nicht unbedingt schön aus, versprach aber Schutz.
Ziemlich abgekämpft versammelte sich die
Familie noch einmal vor der Neuerung, wartete und wartete, aber ein Fisch war
nicht zu sehen. Meine Beobachtung wurde in Frage gestellt, Anlass für mich, zum
Aufbruch zu bitten.
Nach einer Woche voller Wenn und Aber, das
schon fast lächerlich war wegen maßloser Übertreibung in Sachen Fisch, fanden
wir uns denn wieder im Garten ein. Klar war, dass man den Fisch, so es ihn
wirklich gab, nicht verschrecken durfte. Möglicherweise hatte er sich inzwischen
wohl gefühlt, weil sicher und geborgen, und hielt sich an der Oberfläche in der
Sonne auf. Also wurde entschieden, dass Peter zunächst allein und vor allem
vorsichtig an den Teich herantreten sollte. Wir verharrten in gebotener
Entfernung.
Kaum konnte er aufs Wasser schauen, erstarrte
er zur Salzsäule, und zwar mit einer Miene, die purer Triumph war. Strahlend
über alle Backen nickte er uns vorsichtig zu und zeigte mit einem Finger der
fest an den Körper gepressten rechten Hand zum Teich. Kein Zweifel, er sah
einen Fisch! Langsam rückten wir nun auch vor. Doch als wir am Ziel waren, ließ
sich niemand blicken.
Eben war er da, meinte Peter, und zwar ein
silberner Fisch von so etwa 15 Zentimeter Länge. Donnerwetter! Wie war das
zugegangen? Wir rätselten und kamen zu der Überzeugung, dass wahrscheinlich ein
Angler überflüssige Beute in dem Tümpel abgekippt hatte, und der Fisch hatte
sich in das Wasserloch retten können. Im Moment und vorläufig war er wieder
unsichtbar. Peter erklärte, das Tier habe Schutz hinter der Wasserpflanze
gesucht, die wir in die kleine Nische unseres Beckens gepflanzt hatten. Wieder
stand die Familie und starrte.
Als wir dann beim Kaffee saßen und uns
möglichst still verhielten, geschah die Sensation. Ein prächtiger silbriger Kerl
von wirklich etwa 15 Zentimeter Länge schwamm geruhsam kreuz und quer und
schnappte unablässig nach irgendwelcher Nahrung, die wir nicht erkennen
konnten. Welchen Fisch hatten wir da "an Land" gezogen?
Es
war gar nicht so einfach, die Art zu bestimmen. Da man anders als in einem
Aquarium solch Fisch immer nur von oben und so gut wie gar nicht von der Seite
sehen kann, fehlten wichtige Merkmale. Von der Größe her, fanden wir, sofern er
nicht noch weiter wachsen würde, schien es zunächst einmal kein Karpfen zu
sein. Als Hecht ließ er sich auch nicht einordnen. Möglich war eine sogenannte
Rotfeder. Für Momente, wenn man die
Eine Rotfeder
Offenbar ist es
nicht üblich, Rotfedern auch zu handeln. Wahrscheinlich hatte ein Angler das junge
Tier in dem Tümpel „entsorgt“, und dort war es unserem Sohn „in den Eimer“
gegangen.
Flossen
zu Gesicht bekam, schien es nämlich, als seien die rötlich gefärbt. Auf alle
Fälle, das stand irgendwie fest, war es kein Zierfisch.
Damit war eine knifflige Situation
entstanden. Futter, das man für Teichfische kaufen kann, konnte man
wahrscheinlich an diesen "Naturburschen“ nicht verfüttern. Also musste er
selber sehen, wie er in unserer für ihn gewiss zu kleinen Pfütze zurechtkommen
würde. Auf alle Fälle verbot es sich, ihm noch andere Fische zuzumuten. Wie
sollte die natürliche Nahrung ausreichen, die mit der Zeit entstand, vielleicht
Mückenlarven oder so etwas Ähnliches!
Wahrscheinlich hatten wir richtig
entschieden; denn der muntere Geselle sah auch nach zwei, drei Wochen nicht
etwa abgemagert aus. Auch war er nicht mehr ganz so scheu wie anfangs.
Allerdings zog er sich gern zwischen die Pflanze zurück, wo er für unsere
Begriffe ewig stecken konnte. Mit den Kaulquappen vertrug er sich, wie uns
schien, ganz gut. Zum Glück konnten sie ihm nicht als Nahrung dienen, weil sie
dafür einfach schon zu groß waren.
So begnügten wir uns denn mit einem Fisch und
erfreuten uns ansonsten am Gedeihen der Kaulquappen. Viel Aufregung
selbstverständlich, als wir bei einigen von ihnen kleine Beinchen entdeckten.
Warum sie unterschiedlich schnell wuchsen, wussten wir uns nicht zu
beantworten. Neue Aufregung dann, als sich ein kapitaler Frosch eingefunden
hatte. Er hopste vom Uferrand ins Wasser und verkroch sich misstrauisch unter
die Pflanze. Würde er sich mit den Kaulquappen vertragen? Immerhin war der
Teich nun sozusagen komplett von der Natur anerkannt. Wir waren richtig stolz
auf unseren Fisch-Pool.
Welch echte Freude, als eines Tages so etwa
daumengroße Frosch-Winzlinge am Ufer saßen und in hohem Bogen ins Wasser
hüpften, sobald wir näher traten. Da nebenan im Wald der Tümpel, den die
Gemeinde verrotten ließ, inzwischen vollkommen ausgetrocknet war, hatten wir
ganz ohne Zweifel ein wirklich gutes Werk getan. Durch unsere Hilfe hatten sich
so etwa zehn bis zwölf quicklebendige Teich-Frösche entwickelt. Gar nicht
auszudenken, wenn die im nächsten Jahr alle am Ufer unseres Teiches sitzen
würden. Nach Erkundungen in einschlägigen Büchern war unsere Pfütze in ihrer
Größe bestenfalls für einen Frosch ausreichend.
Dass wir uns über den unvermeidlich
herannahenden Winter keinen Kopf machten, mag daran gelegen haben, dass man
schließlich im Leben auch noch über andere Dinge nachdenken muss. Jedenfalls
kamen Schnee und Eis schneller und früher, als wir angenommen hatten. Wir
trafen unseren Teich mit einer Schicht Eis an und sahen mit Entsetzen, dass
einige der Frosch-Winzlinge offenbar überhaupt keine Ahnung davon gehabt
hatten, dass es Winter geben würde. Jedenfalls lagen sie erfroren am Rande. Sie
hatten keinerlei Anstalten gemacht, sich irgendwohin zu verkriechen.
Und der Fisch? Wohin sollte der sich
verkrümeln? Da er unterm Eis nicht zu erkennen war, trugen wir uns mit der
Hoffnung, dass er wenigstens tief genug abgetaucht war. Freilich würde es da
ein Problem geben. Unser Becken war nämlich so tief nicht, wie in klugen
Büchern zu Recht empfohlen wird. Wahrscheinlich waren die Becken-Hersteller
davon ausgegangen, dass man seine Fische vor Ausbruch des Winters herausfischt.
Auf die Idee waren wir einfach nicht gekommen.
Andererseits, wenn wir jetzt darüber
nachdachten: Unser Fisch war ja gar nicht geeignet für ein Aquarium oder
irgendein Wasserglas. Das war ja ein Naturbursche. Der musste selber sehen. Was
ihm offenbar nicht gelang. Denn als wir im Frühjahr bei erstem Tauwetter
nachschauen wollten, wie es ihm ergangen war, sahen wir das Elend. Unterm Eis,
das durchsichtig geworden war, lag er quer in voller Länge. Er war der erste
Fisch, der uns gestorben ist. Es sollte nicht der letzte sein.
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