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„Katastrophen im Gartenteich“
4.Kapitel
Liebling Edwina
Im
Frühjahr des Hausbaus hatten wir für die Tierwelt wenig Sinn. Dennoch
registrierten wir, dass sich im Frosch-Pool schließlich vier mittelgroße
Teichfrösche eingefunden hatten. Sie quakten tags wie nachts nach Herzenslust
und schienen friedfertig, jedenfalls ließen sie die paar Moderlieschen
ungestört. Nach zwei, drei Tagen fast ununterbrochenem Regen, also nach Wanderwetter
für Frösche, hatte sich ein großer Dicker dazugesellt. Er residierte am
Wasserrand und bewegte sich kaum. Die vier Alteingesessenen hockten in
gebührender Entfernung eng nebeneinander, wie in stiller Abwehr des Fremdlings.
Der
Neuankömmling hatte zu unserer Überraschung eine Rückenzeichnung, wie wir sie
vor einem Jahr so markant schon einmal gesehen hatten. Bei ihm war die
hellgrüne Linie, die Teichfrösche auf dem Rücken zu zieren pflegt, deutlich
unterbrochen. Daher erkannten wir ihn wieder, obwohl er uns jetzt wenigstens
zwei Zentimeter größer schien als im vorigen Jahr. Wir hatten ihn Edwin
genannt. Dass er wieder eingetroffen war, empfanden wir als echte Sensation.
Von „Edwina“ haben wir kein Foto,
aber so groß wie „XXL“ hier auf dem Foto war sie
auch
Der
dicke Edwin liebte seine Ruhe, jedenfalls bewegte er sich kaum. Meist döste er
auf seinem Sonnenplatz. Als einmal einer der Kleinen am Ufer auf ihn zu kam,
schwamm er plötzlich in die Mitte des Teiches, kehrte abrupt um und schnappte
dabei mehrmals ins Wasser. Was machte er? Es war nicht eindeutig zu erkennen,
doch es gab kaum eine andere Erklärung: Er schien Appetit zu haben auf
Moderlieschen! Nach seiner Aktion hockte er sich wieder hin und tat so, als sei
nichts geschehen. Jetzt kam der Kleine erneut auf ihn zu und knurrte, leise
zwar, aber immerhin. Wollte er liebeshungrig auf sich aufmerksam machen? Nichts
geschah. Da die Sonne noch immer nur sehr zurückhaltend schien, war ansonsten
nicht viel los am Frosch-Pool. Kaum eine Fliege, noch keine Wespen.
Wenn
es den Fröschen an Futter fehlt, helfen wir meist ein bisschen nach. Jede
Fliege, die wir fangen können, spendieren wir ihnen. Und es ist immer wieder
spannend zu beobachten, wie unterschiedlich die Frösche reagieren. Manchmal
scheinen sie zu dösen oder keinen Hunger zu haben, manchmal springen sie
sofort.
Das
ist schon bemerkenswert. In der Regel brauchen Frösche als Impuls fürs
Beutemachen, um überhaupt loszuspringen, dass sich das potentielle Opfer
bewegt. Dann wird es fixiert, auch gibt's manchmal ein kurzes Anschleichen, und
urplötzlich wird gesprungen. Oft recht hoch, auch weit. Beim Füttern, im Falle,
dass sich ein Frosch ewig nicht entschließen kann, pflegt meine Frau mit einem
dünnen Stock nachzuhelfen. Was dazu führt, dass der eine oder andere Frosch
schließlich geradezu auf den Stock abonniert ist. Sie braucht das Holz nur ins
Wasser zu halten, schon kommt ein Frosch neugierig herbei.
Eines
Tages hatte ich die Idee, den Fröschen einen Moschuskäfer ins Wasser zu werfen.
Eh sich Edwin überhaupt regte, stürzte sich ein kleiner Grüner über das
zappelnde Opfer her. Der erste Zugriff ging ihm daneben, doch er schnappte nach
und erwischte die Beute. Aber solch ein großes Vieh hatte er offenbar nicht erwartet.
Er schoss mit wilden, zuckenden Bewegungen an den Teichrand, schluckte immer
wieder und heftig und gebärdete sich wie irre. Dann kurvte er in die Tiefe, wo
er ein Weilchen verharrte, kam aber wieder hoch, bog sich krumm, hob den Kopf
nach hinten und schluckte und würgte. Dann saß er still, verkroch sich unter
einer Pflanze, schaute schließlich wieder hervor und sperrte ab und zu das Maul
weit auf. Offenbar rumorte der Käfer fürchterlich bei ihm im Bauch herum. Aber
er ließ ihn nicht wieder heraus.
Ein
paar Tage später war Edwin hinüber in Peters Teich gewechselt, der, seitdem er
neu gestaltet war, bei Teichfröschen in so hoher Gunst stand, dass es dort
Nachwuchs gegeben hatte. Wir vermuteten, Edwin habe wegen der kühlen Witterung
nicht genug Futter gefunden und sich für die Kaulquappen interessiert, die den
Winter überlebt hatten. Nach Edwins kurzem Ausflug war in der Tat keine
Kaulquappe mehr zu sehen. Deren Verschwinden konnte aber auch andere Gründe
haben. Zufällig hatten wir nämlich beobachtet, wie eine Katze unmittelbar am
Teichrand saß und mit der Pfote ins Wasser schlug. Als wir am Tatort eintrafen,
war die Katze selbstverständlich verschwunden. Ob mit oder ohne Beute, ließ
sich nicht mehr feststellen.
Wir
waren schockiert. Unerwartet hatten wir alle Hände voll zu tun, Barrieren gegen
Katzen zu errichten. Die lieben geschmeidigen Tierchen überwanden mit elegantem
Sprung die niedrigen Zäune, setzten sich auf die Steine und... Ja, wenn wir
wüssten, ob Frösche immer rechtzeitig abtauchen können! Manchmal, wenn wir
herantreten, springen sie prompt und in hohem Bogen ins Wasser, ein anderes Mal
aber bleiben sie hocken und rühren sich nicht. In der Regel sind sie bei
Sonnenschein und Wärme irgendwie zutraulicher, oder eben einfach fahrlässiger.
Jedenfalls kauften wir kleine dünne Bambusstäbe und errichteten Sperren gegen
Katzen.
Aber
was nützen Barrieren? Die Tiere gehen ihre eigenen Wege. Wenige Tage, nachdem
wir die Zäune erhöht hatten, hüpfte ein großer Teichfrosch, nämlich unser
Liebling Edwin, mit einem kleineren Teichfrosch Huckepack vom Frosch-Pool über
den Rasen hinüber zu Peters Teich. Meine Frau entdeckte die Tour zufällig und
rief mich herbei. Wir beobachteten, wie die zwei innig vereint ins Wasser
hopsten. Dort wurden sie zur Begrüßung von einem Einheimischen überfallen. Aber
sie ließen sich nicht trennen. Am Abend saßen sie noch immer aufeinander.
Einige
Zeit später fanden wir heraus, dass nicht in Peters Tümpel, sondern im
Frosch-Pool mehrere Ballen Froschlaich hingen. Wenn wir uns nicht sehr irrten,
hieß das, dass Edwin ein Weib war, also von nun an "Edwina" genannt
werden musste. Nach dieser für uns nicht eben unwichtigen Entdeckung, folgte
schon die nächste.
Die
Moderlieschen interessierten sich lebhaft für den Laich! Logisch, dass wir besorgte,
schützende Eltern suchten. Edwina aber saß mit mindestens drei Männchen in
Peters Teich und sonnte sich. Welch Rabenmutter! Wenige Tage später war sie
überhaupt verschwunden! Hatte sie irgendwo noch einen Mann zu beglücken? Nach
vierzehn Tagen tauchte sie wieder auf und hockte herum, als sei sie nie weg
gewesen. Wir verziehen ihr alles. Denn nach geraumer Zeit entdeckte ich
Kaulquappen. Unübersehbar: Trotz gefräßiger Moderlieschen tummelten sich etwa
zwanzig, dreißig winzige Exemplare.
In
jenen Tagen kam geradezu höllische Hitze auf. 36 Grad im Schatten. Ideales
Wetter für das Liebesleben der Frösche. Und richtig! Eines Morgens erklang
fröhliches Gequake aus dem Frosch-Pool. Wir schauten neugierig nach und sahen:
Edwina hatte wieder einen "Mann" Huckepack. Der war offenbar von
guten Eltern. Auch Tage später ließ er seine Auserwählte nicht in Ruhe, schwamm
ihr nach und hüpfte immer wieder auf sie hinauf. Aber Edwina hatte ganz andere
Wünsche! Sie war erpicht auf ihren eigenen, inzwischen heranwachsenden
Nachwuchs.
So
etwas beobachtet man meist zufällig. Wir sahen, wie Edwina, die sonst immer wie
schläfrig hockte, plötzlich, als eine kleine Kaulquappe hoch zum Ufer kam, ins
Wasser sprang und nach ihr schnappte. Völlige Gewissheit, ob sie erfolgreich
war, hatten wir zwar nicht, weil solch Raubzug blitzschnell abläuft, da wir
aber im Laufe der Zeit immer weniger Kaulquappen sahen, musste Edwina im Spiele
sein. Denn für die Moderlieschen war der Froschnachwuchs inzwischen zu groß
gewachsen. Mehrere Exemplare hatten bereits zwei Beinchen.
Neue
Überraschung! Bei Peters Tümpel saß ein grüner Winzling im Gestrüpp.
Wahrscheinlich hatte er vor Edwina die Flucht ergriffen. Aber natürlich ist es
ein Fehler, menschliches Denken zu vermuten. Er hatte sich, endlich zum Frosch
mutiert, wahrscheinlich einfach einen günstigen Platz gesucht. Und das war in
diesem Fall eine Stelle, die die großen Frösche nicht so mochten. Nun schauten
wir jeden Tag nach, was der Winzling trieb. Da er zu wachsen schien, mussten
wir annehmen, er habe keine Nahrungssorgen. Als wir ihn dennoch mit kleinen
Fliegen füttern wollten, missverstand er das, hüpfte ins Wasser und ward nimmer
mehr gesehen. Offenbar brauchen die Frösche so etwas wie Lebenserfahrung, um
derlei Angebote nutzen zu können. Gerade hatten wir den kleinen Kerl ins Herz
schließen wollen.
Das
ist schon recht bitter, wenn liebgewonnene Tiere spurlos verschwinden. Man
bekommt nie heraus, was wohl geschehen sein könnte. Es sei denn, solch Tier
hatte ein unverwechselbares Kennzeichen und erkennbare Reste des Kadavers
liegen irgendwo im Garten herum. Daher wissen wir Edwinas trauriges Schicksal.
Wir fanden sie nämlich eines Tages tot, zerbissen offenbar von einer Katze. Das
sah entsetzlich aus. Ich will den Anblick nicht schildern. Aber so viel steht
fest: Dem Frosch war zum Verhängnis geworden, dass er gern zwischen den kleinen
Teichen hin und her wanderte. Obwohl wir Katzen konsequent verjagten, sobald
sie sich den Teichen näherten - was diese natürlich nie so recht verstanden -,
konnten wir vor allem nachts nicht verhindern, dass sie in unserem Garten auf
Jagd gingen. Selbst am Tage hockten sie sich gern in der Nähe des Froschpfades
hin und lauerten. So musste es eines Nachts geschehen sein. Edwina war
hingemordet worden.
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