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„Katastrophen im Gartenteich

9. Kapitel

 

 

 

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Unbekannter Räuber

 

Wir waren nun also fast verwaist und entschlossen uns, neue Fische heranzuschaffen. Doch schien es uns ratsam, Neulinge nicht dem Wasser anzuvertrauen, in dem der soeben verstorbene Fisch erkrankt war. Wir entschieden, das relativ flache Gewässer zu nutzen, das wir bislang den Fröschen frei gehalten hatten.

 

Noch bevor wir einkauften, gaben jedoch in eben diesem Gewässer zwei Frösche eine Vorstellung, die unser helles Entzücken auslöste und in punkto Fische noch einmal zögern ließ.

 

Nun ist es ohnehin in jedem Frühjahr ein besonderes Erlebnis, wenn Frösche eintreffen. Meist finden sich zuerst Grasfrösche ein, doch die verziehen sich in der Regel, sobald die Teichfrösche Platz beanspruchen. Diesmal waren zwei Teichfrösche gleichzeitig eingetroffen und fielen prompt übereinander her. Ob das nun spontane heiße Liebe war oder Hass auf den vermeintlichen Konkurrenten, konnten wir nicht feststellen. Obwohl wir neugierig nah am Wasser standen, führten die beiden eine Balgerei auf, die es in sich hatte. Nicht nur wegen des Lärms, den sie dabei machten, sondern auch wegen der Handfestigkeit, mit der sie miteinander umgingen. Immer wieder wollte der eine aufspringen, immer wieder entzog sich der andere. Und dabei tobten sie beide wie zwei Lausejungen durch den Pfuhl.

 

Das ging so einige Tage, dann zog Ruhe ein. Jetzt saßen die Streithähne gelegentlich sogar dicht beieinander am Ufer und sonnten sich. Hatten sie für Nachwuchs gesorgt? An sich war die Antwort nicht unbedingt dringlich. Aber schließlich wollten wir Fische in den Teich setzen. Und denen konnten wir kaum untersagen, sich nicht für Frosch-Nachwuchs zu interessieren. So unternahmen wir denn immer wieder Versuche herauszubekommen, ob da irgendwo Froschlaich herumschwamm. Aber wir wurden nicht fündig. Schließlich riss die Geduld, und wir kauften neue Fische.

 

Wieder hatten wir uns für Goldfische entschieden, diesmal aber auf Unterscheidungs-Merkmale Wert gelegt. Das heißt, ein kleiner Neuling war komplett rot, der zweite hatte einen schwarzen Schwanz und der dritte eine schwarze Rückenflosse. Alle drei waren je so etwa acht Zentimeter lang und, was das Wichtigste war, topmunter.

 

Diesmal befolgten wir den Rat des Verkäufers und legten die drei in ihrer durchsichtigen Plastiktüte in das Wasser, in das sie alsbald hineingelassen werden würden. Sie sollten sich erst einmal akklimatisieren. Was sie tapfer taten. Sie tummelten sich aufgeregt in ihrem Gefängnis, konnten offenbar nicht begreifen, dass das schöne Wasser, das vor ihnen lag, nicht erreichbar war. Als wir sie nach etwa einer halben Stunde endlich aus ihrem Gefängnis entließen, schossen sie in die Tiefe und waren verschwunden.

 

Die halbstündige Prozedur der Akklimatisierung der Fische hatten die Frösche still und ungerührt beobachtet. Es waren mittlerweile vier an der Zahl. Bei Sonnenschein saßen sie aufgereiht am Ufer und genossen die Wärme. Wie überhaupt die Teichfrösche immer zutraulicher werden, sobald es wärmer wird. Für uns wurde zur spannenden Frage, wie sie sich mit den Fischen vertragen würden. Wir hatten gelesen, dass Frösche die durch Fische im Teich verursachte Unruhe nicht mögen und gegebenenfalls das Weite suchen. Das wäre uns nicht recht gewesen. Aber das Risiko mussten wir eingehen.

 

Nach wenigen Tagen hatten sich die Goldfische an ihre neue Umgebung gewöhnt. Sie ließen sich sehen und nahmen Futter an. Und sie wuchsen, wie uns schien, schneller als erwartet. Mit den Fröschen hatten sie offenbar keinerlei Probleme; wie sich übrigens auch die Frösche mit der Anwesenheit von Fischen abgefunden hatten. Einmal allerdings gab es eine Situation, die uns zu denken gab.

 

Freilich ist alles vielleicht eher eine Vermutung. Meine Frau glaubte nämlich eines Tages gesehen zu haben, wie ein Frosch nach einem Goldfisch schnappte. Nun ist dazu zu sagen, dass in einschlägigen Büchern durchaus steht, dass Frösche Fische nicht verachten und also auch fressen. Nur war unsere Erkenntnis bislang, dass Frösche unter Wasser nicht zuschnappen können. Und außerhalb des Wassers muss sich die potentielle Beute bewegen, sonst wird beim Frosch kein Jagd-Impuls ausgelöst. Kritisch konnte es eigentlich nur werden, wenn ein Fisch zufällig an der Wasseroberfläche und dicht am Ufer an einem auf Beute lauernden Frosch vorbeischwamm. Akkurat so, meinte meine Frau, sei es gewesen. Aber es hatte nicht geklappt, der Fisch war entkommen.

 

Der Räuber, der uns Kummer machte, kam unerwartet und aus der Luft. Es geschah an einem schönen Frühsommer-Tag. Wir hatten Besuch. Meine Schwester sonnte sich, lag allein im Garten in der Nähe unserer Teiche, während wir, meine Frau und ich, im Hause irgendwelchen Tätigkeiten nachgingen. Plötzlich schrie meine Schwester auf: "Ein Vogel, ein Vogel!"

 

Ein Vogel? Na und? Was war geschehen? Wir eilten hinaus. Aufgeregt berichtete meine Schwester, soeben habe ein Vogel einen Fisch gemopst. Bestürzt traten wir zum Teich. Nicht ein Fisch zu sehen! Endlich, nach Minuten geduldigen Wartens, entdeckten wir den Schwarz-Schwanz und den mit der schwarzen Rückenflosse. Der rote Goldfisch aber fehlte. Und dabei blieb es.

 

Heftig redeten wir auf meine Schwester ein. Ihre Auskünfte befriedigten uns nicht, obwohl das Geschehene nicht rückgängig zu machen war. Immer wieder beteuerte sie, kaum etwas richtig gesehen zu haben. Sie hatte gelesen und plötzlich den Flügel schlag eines Vogels gehört. Sie hatte aufgeblickt und gerade noch gesehen, wie der Vogel mit dem Goldfisch im Schnabel davongeflogen war. Alle Aufforderung, den Vogel genauer zu beschreiben, half wenig; sie konnte es einfach nicht. Uns schien das merkwürdig, aber sie passte hartnäckig. Ein Vogel! Bitte! Das musste uns genügen.

 

Natürlich beratschlagten wir, ob irgendetwas zu unternehmen sei. Ein Netz über den Teich? Oder wenigstens ein paar Drähte? Oder einfach annehmen, dass hier ein großer Zufall im Spiel war? Wir entschieden, demnächst ein paar Drähte zu spannen. Schließlich war es unwahrscheinlich, dass der Vogel so schnell zurückkehren würde. Doch wir irrten.

 

Zwei Tage später standen wir ratlos am Teich. Der schwarz-schwänzige Goldfisch trieb tot im Wasser. Unfassbar! Was war geschehen? Bis heute gibt es keine andere Erklärung als die, dass der Fisch den Schreck, als der Vogel nach seinem Nachbarn griff, einfach nicht hatte kompensieren können. Fische sind hochsensibel. Sind sie gar so sensibel, dass sie einen Schock bekommen können, der zum Tode führt? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass der schwarz-schwänzige Goldfisch tot im Wasser trieb und keinerlei Verletzung aufwies.

 

Die neue Katastrophe nahm uns so mit, dass wir wie gelähmt waren. Irgendwie fanden wir das verdammt ungerecht. Warum musste dieser kleine unschuldige Kerl sterben? Warum hatten wir so gar kein Glück mit Fischen? Fast hätten wir versäumt, dem Fisch ein anständiges Grab zu bereiten. Ich war so genervt und hätte ihn beinahe herzlos auf den Komposthaufen geworfen. Wo ihn bestimmt die Katzen gefunden und gefressen hätten. Noch rechteten wir mit dem Vorfall, da traf uns der nächste Schlag.

 

Als wir wenige Tage später wie morgens üblich ans Wasser traten, war da überhaupt kein Goldfisch mehr darin. Nicht einmal ein toter! Tagelang hofften wir. Vergebens. Der Fisch tauchte nicht wieder auf. Wir haben nie herausbekommen, was geschehen ist. Wir vermuten allerdings, dass der Fisch-Räuber noch einmal zugeschlagen hat. War es eine Ente vom nahen Tümpel im Wald? Im Frühjahr brauchen alle Vögel dringend Nahrung für ihren hungrigen Nachwuchs. Da sind sie nicht wählerisch und nehmen, wo sie finden. Dass sie uns damit Kummer machen, stört sie nicht.

 

 

 

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