www.tiere-im-garten.de
„Katastrophen im Gartenteich
9. Kapitel
Unbekannter Räuber
Wir
waren nun also fast verwaist und entschlossen uns, neue Fische heranzuschaffen.
Doch schien es uns ratsam, Neulinge nicht dem Wasser anzuvertrauen, in dem der
soeben verstorbene Fisch erkrankt war. Wir entschieden, das relativ flache
Gewässer zu nutzen, das wir bislang den Fröschen frei gehalten hatten.
Noch
bevor wir einkauften, gaben jedoch in eben diesem Gewässer zwei Frösche eine
Vorstellung, die unser helles Entzücken auslöste und in punkto Fische noch
einmal zögern ließ.
Nun
ist es ohnehin in jedem Frühjahr ein besonderes Erlebnis, wenn Frösche
eintreffen. Meist finden sich zuerst Grasfrösche ein, doch die verziehen sich
in der Regel, sobald die Teichfrösche Platz beanspruchen. Diesmal waren zwei
Teichfrösche gleichzeitig eingetroffen und fielen prompt übereinander her. Ob
das nun spontane heiße Liebe war oder Hass auf den vermeintlichen Konkurrenten,
konnten wir nicht feststellen. Obwohl wir neugierig nah am Wasser standen,
führten die beiden eine Balgerei auf, die es in sich hatte. Nicht nur wegen des
Lärms, den sie dabei machten, sondern auch wegen der Handfestigkeit, mit der
sie miteinander umgingen. Immer wieder wollte der eine aufspringen, immer
wieder entzog sich der andere. Und dabei tobten sie beide wie zwei Lausejungen
durch den Pfuhl.
Das
ging so einige Tage, dann zog Ruhe ein. Jetzt saßen die Streithähne
gelegentlich sogar dicht beieinander am Ufer und sonnten sich. Hatten sie für
Nachwuchs gesorgt? An sich war die Antwort nicht unbedingt dringlich. Aber
schließlich wollten wir Fische in den Teich setzen. Und denen konnten wir kaum
untersagen, sich nicht für Frosch-Nachwuchs zu interessieren. So unternahmen
wir denn immer wieder Versuche herauszubekommen, ob da irgendwo Froschlaich
herumschwamm. Aber wir wurden nicht fündig. Schließlich riss die Geduld, und
wir kauften neue Fische.
Wieder
hatten wir uns für Goldfische entschieden, diesmal aber auf
Unterscheidungs-Merkmale Wert gelegt. Das heißt, ein kleiner Neuling war
komplett rot, der zweite hatte einen schwarzen Schwanz und der dritte eine
schwarze Rückenflosse. Alle drei waren je so etwa acht Zentimeter lang und, was
das Wichtigste war, topmunter.
Diesmal
befolgten wir den Rat des Verkäufers und legten die drei in ihrer
durchsichtigen Plastiktüte in das Wasser, in das sie alsbald hineingelassen
werden würden. Sie sollten sich erst einmal akklimatisieren. Was sie tapfer
taten. Sie tummelten sich aufgeregt in ihrem Gefängnis, konnten offenbar nicht
begreifen, dass das schöne Wasser, das vor ihnen lag, nicht erreichbar war. Als
wir sie nach etwa einer halben Stunde endlich aus ihrem Gefängnis entließen,
schossen sie in die Tiefe und waren verschwunden.
Die
halbstündige Prozedur der Akklimatisierung der Fische hatten die Frösche still
und ungerührt beobachtet. Es waren mittlerweile vier an der Zahl. Bei
Sonnenschein saßen sie aufgereiht am Ufer und genossen die Wärme. Wie überhaupt
die Teichfrösche immer zutraulicher werden, sobald es wärmer wird. Für uns
wurde zur spannenden Frage, wie sie sich mit den Fischen vertragen würden. Wir
hatten gelesen, dass Frösche die durch Fische im Teich verursachte Unruhe nicht
mögen und gegebenenfalls das Weite suchen. Das wäre uns nicht recht gewesen.
Aber das Risiko mussten wir eingehen.
Nach
wenigen Tagen hatten sich die Goldfische an ihre neue Umgebung gewöhnt. Sie
ließen sich sehen und nahmen Futter an. Und sie wuchsen, wie uns schien,
schneller als erwartet. Mit den Fröschen hatten sie offenbar keinerlei
Probleme; wie sich übrigens auch die Frösche mit der Anwesenheit von Fischen
abgefunden hatten. Einmal allerdings gab es eine Situation, die uns zu denken
gab.
Freilich
ist alles vielleicht eher eine Vermutung. Meine Frau glaubte nämlich eines
Tages gesehen zu haben, wie ein Frosch nach einem Goldfisch schnappte. Nun ist
dazu zu sagen, dass in einschlägigen Büchern durchaus steht, dass Frösche
Fische nicht verachten und also auch fressen. Nur war unsere Erkenntnis
bislang, dass Frösche unter Wasser nicht zuschnappen können. Und außerhalb des
Wassers muss sich die potentielle Beute bewegen, sonst wird beim Frosch kein
Jagd-Impuls ausgelöst. Kritisch konnte es eigentlich nur werden, wenn ein Fisch
zufällig an der Wasseroberfläche und dicht am Ufer an einem auf Beute lauernden
Frosch vorbeischwamm. Akkurat so, meinte meine Frau, sei es gewesen. Aber es
hatte nicht geklappt, der Fisch war entkommen.
Der
Räuber, der uns Kummer machte, kam unerwartet und aus der Luft. Es geschah an
einem schönen Frühsommer-Tag. Wir hatten Besuch. Meine Schwester sonnte sich,
lag allein im Garten in der Nähe unserer Teiche, während wir, meine Frau und
ich, im Hause irgendwelchen Tätigkeiten nachgingen. Plötzlich schrie meine
Schwester auf: "Ein Vogel, ein Vogel!"
Ein
Vogel? Na und? Was war geschehen? Wir eilten hinaus. Aufgeregt berichtete meine
Schwester, soeben habe ein Vogel einen Fisch gemopst. Bestürzt traten wir zum
Teich. Nicht ein Fisch zu sehen! Endlich, nach Minuten geduldigen Wartens,
entdeckten wir den Schwarz-Schwanz und den mit der schwarzen Rückenflosse. Der
rote Goldfisch aber fehlte. Und dabei blieb es.
Heftig
redeten wir auf meine Schwester ein. Ihre Auskünfte befriedigten uns nicht,
obwohl das Geschehene nicht rückgängig zu machen war. Immer wieder beteuerte
sie, kaum etwas richtig gesehen zu haben. Sie hatte gelesen und plötzlich den
Flügel schlag eines Vogels gehört. Sie hatte aufgeblickt und gerade noch
gesehen, wie der Vogel mit dem Goldfisch im Schnabel davongeflogen war. Alle
Aufforderung, den Vogel genauer zu beschreiben, half wenig; sie konnte es
einfach nicht. Uns schien das merkwürdig, aber sie passte hartnäckig. Ein
Vogel! Bitte! Das musste uns genügen.
Natürlich
beratschlagten wir, ob irgendetwas zu unternehmen sei. Ein Netz über den Teich?
Oder wenigstens ein paar Drähte? Oder einfach annehmen, dass hier ein großer
Zufall im Spiel war? Wir entschieden, demnächst ein paar Drähte zu spannen.
Schließlich war es unwahrscheinlich, dass der Vogel so schnell zurückkehren
würde. Doch wir irrten.
Zwei
Tage später standen wir ratlos am Teich. Der schwarz-schwänzige Goldfisch trieb
tot im Wasser. Unfassbar! Was war geschehen? Bis heute gibt es keine andere
Erklärung als die, dass der Fisch den Schreck, als der Vogel nach seinem
Nachbarn griff, einfach nicht hatte kompensieren können. Fische sind
hochsensibel. Sind sie gar so sensibel, dass sie einen Schock bekommen können,
der zum Tode führt? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass der
schwarz-schwänzige Goldfisch tot im Wasser trieb und keinerlei Verletzung
aufwies.
Die
neue Katastrophe nahm uns so mit, dass wir wie gelähmt waren. Irgendwie fanden
wir das verdammt ungerecht. Warum musste dieser kleine unschuldige Kerl
sterben? Warum hatten wir so gar kein Glück mit Fischen? Fast hätten wir versäumt,
dem Fisch ein anständiges Grab zu bereiten. Ich war so genervt und hätte ihn
beinahe herzlos auf den Komposthaufen geworfen. Wo ihn bestimmt die Katzen
gefunden und gefressen hätten. Noch rechteten wir mit dem Vorfall, da traf uns
der nächste Schlag.
Als
wir wenige Tage später wie morgens üblich ans Wasser traten, war da überhaupt
kein Goldfisch mehr darin. Nicht einmal ein toter! Tagelang hofften wir.
Vergebens. Der Fisch tauchte nicht wieder auf. Wir haben nie herausbekommen,
was geschehen ist. Wir vermuten allerdings, dass der Fisch-Räuber noch einmal
zugeschlagen hat. War es eine Ente vom nahen Tümpel im Wald? Im Frühjahr
brauchen alle Vögel dringend Nahrung für ihren hungrigen Nachwuchs. Da sind sie
nicht wählerisch und nehmen, wo sie finden. Dass sie uns damit Kummer machen,
stört sie nicht.
Weiter
zum 10.Kapitel
Zurück
zum Inhaltsverzeichnis
Zurück zur Startseite