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15. Kapitel
Silberpfeil gestohlen
Unser neu
gewonnenes Selbstvertrauen wurde alsbald arg gedämpft. Wieder waren wir nicht
ganz schuldlos. Aber vielleicht übertreiben wir auch. Als nämlich in Erinnerung
an frühere Debakel auch davon die Rede war, Drähte über die Teichbecken zu
ziehen, winkte ich ab. Ich hatte damals zu solcher Aktion einfach keine Lust
und argumentierte, es sehe gar nicht gut aus, irgendwelche Drähte über die
Teiche zu spannen. Schließlich sollte das alles ja auch irgendwie natürlich
anmuten. Und außerdem würden die quer gespannten Drähte uns hindern, mit dem
Netz herabgefallene Blätter herauszufischen.
Obendrein wurden
wir von dem Problem abgelenkt, weil uns das Wasser Kummer machte. Es färbte
sich nämlich zunehmend grün. Mit dem Ergebnis, dass wir die Fische nur zu
Gesicht bekamen, wenn sie knapp unter der Wasseroberfläche schwammen. Und wann
tun sie das schon! Im Frühjahr eigentlich nur, wenn sie zum Füttern langsam
hoch kurven.
Das war dann die
kurze Zeit, in der wir uns einen Überblick über den Bestand verschaffen
konnten. So gab es jeden Tag neue Ungewissheit, ob nach wie vor alle Exemplare
aufkreuzen würden. Da ich einen Filter noch nicht einsetzen konnte, versuchte
ich zunächst, mit der Luft-Pumpe gründlich Sauerstoff ins Wasser zu geben. Aber
das nützte gar nichts. Das Wasser blieb mulmig grün. So schauten wir uns denn
in der Zoologischen Handlung diverse chemische Mittel an, die versprachen,
Abhilfe zu schaffen.
Und wirklich, kaum
hatten wir eine gehörige Portion des Wundermittels ins Wasser gegeben, bildeten
sich hellgrüne Flocken, die man mit einem Netz heraus fangen konnte. Um zu
verhindern, dass sie nach unten auf den Grund schwebten, wozu sie neigten,
stand ich denn Tag für Tag am Ufer und fischte grünen Modder heraus. Mit dem
Ergebnis, dass das Wasser sowohl im Koi- als auch im Goldfisch-Teich akzeptabel
klar wurde.
Hätten wir es doch
undurchsichtig gelassen! Aber das ist im Nachhinein solch Stoßseufzer; niemand
weiß, ob es geholfen hätte, unseren Silberpfeil zu behüten. Der fehlte nämlich
eines Tages. Er war einfach verschwunden und ward nicht wieder gesehen.
Beim Füttern eines
Tages fiel uns auf, dass er nicht erschien. Noch ahnten wir nichts Böses. Es
kann schon einmal vorkommen, dass ein Fisch die Futterzeit verpasst. Am zweiten
Tag wurden wir unruhig. Am dritten Tag suchten wir verzweifelt die Uferzone ab,
ob da vielleicht irgendwo silberne Schuppen zu sehen waren. Ergebnislos. Am
vierten Tag prüfte ich fast Zentimeter für Zentimeter, ob im Teich-Zaun
irgendwo eine Lücke war. Ebenfalls ergebnislos. Am fünften Tag suchten wir
überall im Garten, ob vielleicht klägliche Überreste wie ein Stückchen Kopf, ein
halber Schwanz oder gar ein Gräte zu finden waren. Auch das ergebnislos.
So etwas zehrt an
den Nerven. Mit der Tatsache, dass ein Fisch einfach spurlos verschwunden ist,
muss man sich irgendwie abfinden. Aber dass man die Ursache nicht
herausbekommt, also praktisch jede Nacht ein dreister Räuber unerkannt stehlen
kann, ist besonders deprimierend. Natürlich hatten wir sofort Katzen in
Verdacht. Aber es half gar nichts, sie davonzujagen, sobald sich eine blicken
ließ.
Ich kam auf die
Idee, unsere zwei Rasen-Sprenger so zu installieren, dass sie per Zeituhr
nachts und frühmorgens eine viertel Stunde liefen und mit ihrem Strahl
gewissermaßen einen Wasser-Vorhang vor die Teichbecken setzten. Das half
wahrscheinlich gar nicht, aber unsere Stimmung hob es schon. Wenn ich nachts
hörte, wie die Spritzerei begann, wünschte ich mir sehnsüchtig, dass ein
Räuber, der gerade Gelüste entwickelte, gründlich eingenässt würde. Sooft ich
ans Fenster ging, um Zeuge zu werden, so oft kroch ich enttäuscht ins Bett
zurück. Immerhin hofften wir, dass sich bei dem potentiellen Räuber so etwas
wie ein Komplex ausbilden würde, der ihn davon abhielt, in die Nähe der Teiche
zu schleichen.
Unseren
Silberpfeil brachte die Aktion freilich nicht zurück. Noch lange sannen wir
darüber nach, wieso es gerade wieder der Silberpfeil sein musste, der uns
gestohlen wurde. Lag es daran, dass er so schön echt wie ein Fisch aussah,
während Goldfische oder auch unser "Goldbarren" aufgrund ihrer Farbe
vielleicht abschreckten?
Als wir unserem
Kummer bei einem zoologischen Händler Luft machten, meinte der salomonisch, da
habe gewiss ein Fischreiher geräubert. Im Frühjahr brauchen diese Vögel
dringend Futter für ihren Nachwuchs, meinte er, und da seien sie nicht
wählerisch. Wir sollten zwei Drähte über Kreuz spannen, das würde abschrecken.
Damit war der
schwarze Peter wieder einmal bei mir gelandet; denn von zu spannenden Drähten
war ja schon mehrmals die Rede gewesen. Ich glaubte nicht an eine Wirkung.
Sollte es wirklich ein Fischreiher gewesen sein, dann würde der sich gewiss
einfach ans Ufer stellen, mit seinem Schnabel ins Wasser fassen und einen
ahnungslosen Fisch herausholen. Wie sollten das Drähte verhindern?
Aber bitte,
schließlich mussten wir alles Mögliche tun, um Räuber abzuwehren. Also kauften
wir dünnen grünen Draht, und ich zog ihn kreuz und quer über unsere Teiche.
Insgeheim ertappte ich mich bei einem bösen Gedanken. Ich wünschte mir, Zeuge
zu sein, wie ein Fischreiher uns beehrt und am Teich nach Beute Ausschau hält.
Ich würde zwar versuchen, das Ärgste zu verhindern, aber solch Tier leibhaftig
einmal im Garten zu haben, wäre schon ein Ereignis! Dass es eines Tages
tatsächlich geschah, sei hier schon mal mitgeteilt.
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