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Katastrophen
im Gartenteich
18. Kapitel
Der
Goldbarren todkrank
Den "Goldbarren" hatten wir nun wirklich ins Herz geschlossen.
Er war neben "Undine" und „Felix“ einer der drei vom allerersten
Koi-Einkauf und mittlerweile gewissermaßen das Leittier. Das heißt, wenn er aus
der Tiefe langsam nach oben zog, kam die Meute hinterher. Manchmal zwar war
dann beim Futteraufnehmen ein Shubunkin schneller als er, aber in der Regel war
er es, der das Fressen eröffnete. Allerdings, das muss ich gestehen, solch
gewissermaßen geregelter Ablauf ergab sich gewöhnlich bei wohltemperiertem
Wasser. Nahmen die Temperaturen im Sommer zu, stürzte die hungrige Meute meist
drauflos, ohne auf die „Genehmigung“ des „Goldbarren“ zu warten.
Er war der einzige Fisch, der Futter aus der Hand nahm. Wenn man ihm
einen Stick ins Wasser hielt, kreiste er zwar meist lange herum und
„überlegte“, doch dann kam er näher und schnappte zu. Mit Geduld konnte man ihn
sogar dazu verführen, nach draußen über die Wasseroberfläche zu greifen. Alle
Versuche, auch die anderen dazu zu verlocken, scheiterten. So ergab sich
zwangsläufig ein besonderes Verhältnis zum "Goldbarren". Wohl auch,
weil er natürlich wegen seiner Farbpracht am besten im Wasser ausfindig zu
machen war.
Ich hatte schon geraume Zeit beobachtet, dass seine Lippen am Maul im
Vergleich etwa zu "Undine" irgendwie weich und aufgedunsen aussahen.
Dann wieder schien alles heil zu sein. Was hätte ich tun sollen? Nur wegen
irgendeiner Vermutung irgendwelche Chemie ins Wasser schütten? Das betraf dann
stets nicht nur den möglicherweise kranken Fisch, sondern auch die anderen. Und
den „Goldbarren“ heraus zu fangen, zu isolieren und irgendwie zu behandeln,
schien mir auch nicht ratsam, zumal es für mich bis zum heutigen Tag schier
unmöglich geblieben ist, eine mögliche Krankheit eines Fisches definitiv zu
bestimmen. Auskünfte aus einschlägigen Büchern helfen nur wenig, weil
erfahrungsgemäß das konkrete Krankheitsbild stets etwas anders ausschaut, als
im Buch beschrieben.
Was den "Goldbarren" betrifft, muss ich ergänzen, dass er ja
nie den Eindruck machte, irgendwie ernsthaft krank zu sein. Er schwamm immer
mobil herum und fraß mit gutem Appetit. Die Sache mit der Lippe ließ sich von
außen schwer bestätigen. Und einen Fisch etwa zur Sondierung heraus zu fangen,
haben wir nur einmal versucht, und dann nie wieder. Wenn man nämlich nicht
gleich beim ersten Zugriff erfolgreich ist, kann man es bleiben lassen. Die
Fische sind gewarnt und zeigen einem die kalte Schulter. Fummelt man dennoch
mit dem Netz weiter im Teich herum, steigert sich das Misstrauen der sonst
zutraulichen Tiere. Und möglicherweise, wenn man hartnäckig ist, verletzt man
ungewollt seinen Liebling. Das ist dann der Bettel nicht wert.
In Sachen "Goldbarren" beobachteten wir eines Tages in jenem
Frühjahr, in dem wir schon einige Fische zu Grabe getragen hatten, irgendwie
helle, wenn nicht gar bloße Stellen am Rumpf. Zwar ließen sich die
ungewöhnlichen Flecke von außen nicht genau bestimmen, aber es schien, als habe
der Fisch allerhand Schuppen verloren. Was war zu tun?
Irgendwie müssen wir in diesem Frühjahr in Sachen Fische ausgesprochen
flügellahm gewesen sein. Das heißt, wir unternahmen zunächst nichts und hofften
einmal wieder auf die vielgerühmten „Selbstheilkräfte“ der Natur. Mit welcher
Hoffnung man zumindest bei Fischen in der Regel verloren ist. Mit zunehmender
Sorge registrierten wir, dass der "Goldbarren" den Pulk der übrigen
Fische mied und seine eigene Bahn zog. Meist stand er unter der Brücke und
bewegte sich nicht, ruderte nur schwach mit den Flossen. Als er eines Tages
anfing, wie ein Betrunkener im Teich herumzukurven, schlugen wir Alarm.
Der Ärmste ließ sich ohne Mühe heraus fangen, und wir sahen unmittelbar,
wie elend er erkrankt war. Auf beiden Seiten fehlten Schuppen, sah man
irgendwie das blanke Fleisch. Wir bereiteten hastig eine Heil-Tunke, nun auf
einmal inbrünstig auf die Chemie hoffend. Aber jede Hilfe kam zu spät. Am
nächsten Morgen lag er tot in der Schüssel.
Fast hätte der "Goldbarren" ein richtiges kleines Grab mit
Erinnerungskreuz bekommen, aber letztlich ergriff uns Ernüchterung. Die
Ohnmacht gegenüber heimtückischen Erkrankungen bei Fischen hatte uns nervlich
bereits so zermürbt, dass wir alles taten, um die Katastrophe möglichst bald zu
vergessen. So wurde unser bestes Stück geradezu pietätlos im Komposthaufen
verscharrt…
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