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“Katastrophen im Gartenteich”
7. Kapitel
Goldorfen
machen sich rar
Nachdem Wasser in die neuen Teiche eingelassen war, stand
der Kauf neuer Fische auf der Tagesordnung. Ein ziemlich aufregender Vorgang.
Anfangs ist man gar nicht argwöhnisch und nimmt, was einem der Verkäufer so
einfängt. Sobald man sich nämlich einen Fisch aus einem Pulk von manchmal
hundert Exemplaren ausgespäht hat, glaubt man, nun sei alles gelaufen. Weit
gefehlt!
Grundsätzlich sollte man sich den Fisch im Glas des
Verkäufers genau ansehen, bevor man kauft. Natürlich kann man nicht erkennen,
ob der kleine Kerl etwa schon irgendeine Krankheit mit sich herumschleppt. Aber
ob er zum Beispiel ein lädiertes Maul, eine Wunde am Rücken oder eine eingerissene
Flosse hat, kann man in der Regel erkennen. In solch einem Falle sollte man
verzichten, selbst wenn man sich in die Farbvariante des Fisches sofort
verliebt hat. Auch ist es ein Irrtum zu hoffen, dass etwa eine offenkundige
Wunde nach gewisser Zeit schön verheilt. Der Fisch ist ein Todeskandidat, und
man sollte ihn keinesfalls kaufen.
Wir zogen denn also los, noch wenig erfahren, und hatten
die Absicht, zwei Goldfische zu kaufen. Als wir wieder zu Hause angelangt
waren, brachten wir außerdem zwei Goldorfen mit. So kann es einem ergehen.
Steht man nämlich erst einmal vor den Bottichen, in denen die Fische
herumwimmeln, überkommt einen eine seltsame Kauflust. Und wenn gar der
Verkäufer noch geschickt argumentiert, ist man geliefert.
In unserem Falle gab der Verkäufer zu bedenken, dass zwei
Fische einfach objektiv zu wenig seien. Ein Schwarm beginne bei so etwa fünf
Fischen, und wenn wir nur zwei Goldfische anschaffen wollten, dann rate er,
doch wenigstens zwei Goldorfen dazu zu geben. Das werde sich gut machen, zumal
diese schlanken Fische sehr mobil seien. Bei ihm im Bottich konnte man das so
genau nicht sehen, da quirlte alles durcheinander.
Wie gesagt: Wir kamen mit vier Fischen zu Hause an, alle
so etwa zehn bis zwölf Zentimeter lang, also noch recht junge Exemplare. Wir
zögerten nicht lange, sie aus ihren kleinen Transporttüten zu befreien und ins
Wasser zu geben. Erst bei späteren Käufen gingen wir dazu über, Neulinge
gehörig zu akklimatisieren. Dass das nötig sei, hatten wir noch nicht erfahren,
wahrscheinlich beim Kauf überhört. Wie auch immer: Wir gaben die Fische
unverzüglich ins Wasser und erlebten prompt eine arge Überraschung. Kaum
nämlich befanden sich die Biester in ihrem Element, waren sie auch schon
verschwunden.
Ratlos standen wir am Teich und überlegten, woran es wohl
gelegen haben könnte. War etwa das frische Wasser mit kaum über zehn Grad Wärme
zu kalt? Aber Kälte allein konnte es nicht gewesen sein; denn wir erlebten auch
später bei Neulingen: Sobald sie ins Wasser kamen, tauchten sie weg und waren
verschwunden!
Wir warteten lange, aber keiner der Fische tat uns den
Gefallen, sich zu zeigen. Nach geraumer Zeit gingen wir herum zum Frosch-Pool
und erfreuten uns an den Moderlieschen, die dort munter kreuz und quer
schwammen. In meiner Verzweiflung kam ich auf die Idee, für den kleinen, nicht
so tiefen Teich, den wir den Fröschen vorbehalten wollten – sie sollten da ihre
Ruhe haben! -, auch noch ein paar Goldfische anzuschaffen. Dort würde man sie
sehen, weil sie nicht so tief abtauchen könnten. Meine Frau vermochte mich
gerade noch zurückzuhalten. Schließlich hatten wir ja eben erst
Neuanschaffungen getätigt.
Es begannen Tage quälender Ungewissheit. Immerhin waren
wir beide, mein Weib und ich, gegenseitig Zeugen dafür, dass die Fische in den
Teich hineingelangt waren. Sie mussten drin sein! Es sei denn, und da kam ein
erster Verdacht auf, irgend ein Dieb stahl sie uns heraus. Aber noch hielten
wir das für ausgeschlossen; denn die Neulinge ließen sich ja gar nicht blicken.
Woher sollte ein hungriger Dieb, etwa eine Katze, wissen, dass da mögliche
Beute drin war? Also gestohlen worden konnten sie eigentlich nicht sein. Unsere
Versuche, sich behutsam anzuschleichen und ganz, ganz vorsichtig Ausschau zu
halten, schlugen kläglich fehl. Immer und immer wieder näherten wir uns still
und äußerst zurückhaltend, aber ein Fisch war nicht zu entdecken.
Endlich, wohl so nach zwei, drei Wochen, gab es eine
Überraschung. Da schwammen doch tatsächlich die zwei Goldfische munter hin und
her, als sei das schon immer so gewesen. Als wir ein zweites Mal herantraten,
nicht mehr ganz so behutsam, stiebten sie nach unten ab. Wir warfen etwas
Futter hinein. Die Fische aber schien das nicht zu interessieren. Ewig kreisten
sie herum, kamen sogar etwas höher, blieben aber zurückhaltend. Endlich wagte
es einer zu kosten. Er schnappte und tauchte ab. Dann kam auch der andere.
Schließlich schnappten sie beide irgendwie gemütlich. Von nun an war Alltag
eingezogen bei den Goldfischen.
Aber von den Goldorfen noch immer keine Spur! Wie viel
Wochen vergangen sind, kann ich exakt nicht mehr sagen. Gewiss ist, dass der
Sommer ins Land gegangen war, und wir anfingen anzunehmen, dass uns ein
schäbiger Bösewicht unsere Neulinge einfach geklaut hatte. Jedenfalls
entschieden wir, die Absperrung ringsum zu erhöhen.
Dafür gab es sogar einen ganz konkreten Anlass. Eines
Morgens nämlich, als ich aufgestanden war und von unserem Fenster zum Teich
blickte, sah ich eine Katze auf dem inselgleichen Stück Erde, das sich zwischen
den drei kleinen Teichen befindet. Sie saß da und starrte gebannt ins Wasser.
Noch halbnackt, wie ich war, rannte ich die Treppe hinunter, schloss die Tür
zum Garten auf und stürmte hinaus. Ich sah gerade noch, wie die Katze mit
elegantem Sprung leicht meine Hürde nahm und beim Nachbarn verschwand. Als ich
zum Teich kam, war natürlich kein Fisch zu sehen.
Obwohl die Katze nicht eindeutig als Dieb überführt war,
hielten wir sie oder eine ihrer Artgenossinnen für schuldig. Also begann ich,
den Zaun ringsum zu erhöhen. „Hochsicherheits-Trakt“ sagte meine Tochter dazu,
als sie das „Bauwerk“ sichtete. Aber den Goldorfen, so es sie überhaupt noch
gab, war das gleichgültig.
Irgendwie hatten wir alle Hoffnung aufgegeben. Eines Abends,
ich saß an meinem Schreibtisch, stürzte meine Frau ins Haus und rief
durchdringend "Daddy! Daddy!". Ich schreckte auf. Was war passiert?
Der Ruf war so laut und so engagiert, dass ich alles Mögliche Unheil
assoziierte. An Fische dachte ich in dem Moment überhaupt nicht. Emphatisch
rief nun meine Frau: "Ein Orfe! Eine Orfe!" Oh, sollte es wahr sein?
Ich eilte mit meiner Frau zum Teich. Aber natürlich:
Keine Goldorfen zu sehen, nur zwei Goldfische! Doch meine Frau behauptete
hartnäckig, eben eine Orfe gesehen zu haben. Sie sei gewachsen, wie ihr schien,
und sie sei eben quer durch den Teich geschossen. Nun standen wir wieder und
starrten. Vergebens.
Ich wollte nicht bezweifeln, was meine Frau gesehen zu
haben glaubte. Schließlich war es eine erfreuliche Botschaft. Zwar schien es
mir unwahrscheinlich, dennoch zog wieder Hoffnung ein. Vielleicht existierten
sogar noch beide Orfen. Aber es war einfach nichts zu machen. Ohne eine Orfe
gesehen zu haben, gingen wir zurück ins Haus. Irgendwie hatten wir dennoch ein
gutes Gefühl. Wir waren froh, größere Gewissheit darüber erlangt zu haben, dass
unsere Absicherung der Teiche offenbar funktionierte.
Wieder begannen Tage geduldigen Wartens am Teich.
Eigentlich war es grotesk, gut eine Stunde tatenlos ins Wasser zu starren in
der Hoffnung, für Bruchteile von Sekunden einen schlanken Fisch zu sehen. Doch
tatsächlich: Eines Tages passierte es. Aus einer der Falten in der Folie
ziemlich oben an der Wasseroberfläche schoss plötzlich eine Orfe quer durch den
Teich in die Tiefe und war wieder verschwunden. Sensation!
Das war's dann aber auch schon. Wieder hockten wir am
Teich, inzwischen auf gemütlichen Stühlen, um kurz mal eine Goldorfe zu sehen.
Was dann noch immer keine Gewissheit bringen würde, ob vielleicht doch noch beide
existierten. In diesem Falle musste man beide gleichzeitig sehen, was
aussichtslos schien.
Natürlich konzentrierte sich unsere Aufmerksamkeit auf
die Stelle, von der aus eine Orfe in die Tiefe geschossen war. Ich weiß nicht
mehr, wie viele Tage wohl vergangen waren, eines Tages jedoch entdeckte ich,
dass das vibrierende Schwanzende eines Fisches aus der fraglichen Folienspalte
schaute. Mal verschwand es, mal tauchte es wieder auf. Da in dem Moment beide
Goldfische zu sehen waren, konnte es sich nur um den Schwanz einer Goldorfe
handeln.
Dann, Tage später, war ich zufällig Zeuge, wie eine
Goldorfe aus der Spalte wie ein Blitz herausschoss und in der Tiefe verschwand.
Was hatte die Tiere so unerhört scheu gemacht? Oder waren sie vielleicht so
veranlagt? Dann hätte sie uns der Verkäufer eigentlich nicht aufschwätzen
sollen. Doch nun war das nicht mehr zu ändern. Wir versuchten, sie mit Futter
zu ködern. Noch immer war nicht geklärt, ob vielleicht doch eine Orfe aus dem
Teich herausgemopst worden war. Andererseits, wenn sie scheu waren, schien uns
das unmöglich. Es sei denn, es gab einen Dieb, der ins Wasser abtauchen konnte.
Alle Studien in diversen Büchern brachten keine Klarheit. Wir erfuhren zwar zu
unserer Überraschung, dass sogar Rotkehlchen kleine Fische klauen können, aber
Enten zum Beispiel hielten sich zur Zeit nicht in der Nähe auf. Da wir ringsum
ziemlich dichten Baumbestand haben, schied ein Räuber wie etwa der Fischreiher
eigentlich aus.
Das Nachforschen über potentielle Diebe hatte endlich ein
Ende, als wir eines Tages schließlich und endlich beide Goldorfen im Teich hin
und her huschen sahen. Und das blieb noch ein Weilchen so. Während die beiden
Goldfische sich offenbar längst wie zu Hause fühlten und zum Beispiel zur
Futterzeit vertrauensvoll geradezu bettelten, hatten die Goldorfen irgendwie
noch Vorbehalte gegen uns. Sie naschten schließlich ab und zu ein bisschen
Futter weg, blieben aber zurückhaltend. Schon bei der geringsten Bewegung am
Ufer tauchten sie ab und blieben erst einmal verschwunden.
Dennoch hatten wir sie ins Herz geschlossen. Sie waren
unerhört vife Fische und führten konsequent ihr Eigenleben. Das heißt, ein
Schwarm entstand nicht, die Goldfische mieden sie. Andererseits sorgten sie für
abwechslungsreichen Betrieb im Teich. Irgendwie war immer etwas los, und es
machte Vergnügen, die munteren Fische zu beobachten, die übrigens zusehends
wuchsen. Kummer machte die Grünfärbung des Wassers, wodurch uns der Blick in
die Tiefe verwehrt wurde. Wir waren dankbar, wenn die Fische an der Oberfläche
schwammen.
Der Winter kam, und damit neue Probleme. Zum Beispiel Eis
und Schnee. In Büchern steht, man solle für schneefreies Eis sorgen, damit im
Wasser notwendige biologische Prozesse stattfinden können. Nun kann man mit ein
wenig Mühe, je nach Wetterlage, für Schneefreiheit sorgen, solange nicht allzu
viel weißes Pulver fällt. Wenn aber über Nacht so zehn bis zwanzig Zentimeter
Schnee fallen, hat man ganz schön zu tun. Bequemer ist es, wenn erst einmal
alles wieder taut, auch das Eis. Zwar kann man in der Regel die Fische in der
Tiefe dennoch nicht sehen, aber man hofft einfach, dass es ihnen da unten gut
geht.
Anders ist die Lage, wenn der Frost anhält und gar
zunimmt, wie ausgerechnet in diesem Winter. Das heißt nämlich, dass auch die
Eisdecke wächst, und zwar nach unten in den Teich hinein. Dadurch entsteht ein
ungewöhnlicher Druck, der den Fischen kaum genehm sein dürfte. Als ich daran
ging, ein Loch ins Eis zu bohren, war ich überrascht, mit welch geheimnisvoller
Kraft das Wasser wie bei einem Springbrunnen sprudelte. Das Hervorquellen ließ
zwar alsbald nach, war aber Signal genug, nun zu versuchen, den Fischen jeden
Tag neu Entspannung und Luft zu verschaffen.
Als das Eis wohl so eine Dicke von etwa zwanzig
Zentimeter erreicht hatte, versagte meine Technik. Es war ohnehin mühevoll
genug, immer auf das Eis zu steigen und mit einem Schraubenschlüssel eine große
Schraube ins Eis zu drehen. Immer wieder rutschte ich ab. Ich musste besseres
Werkzeug herbeischaffen. Und fieberhaft überlegte ich, was vielleicht besser zu
machen sei.
Ich kam auf die Idee, durch das entstandene Loch Wasser
abzusaugen, so dass zwischen Eis und Wasseroberfläche ein Luftraum entstünde.
Aber das hieß, den passenden Schlauch zu haben. Und wenn man den hatte, floss
da ohne entsprechende Pumpe noch kein Wasser hindurch. Die Sache war in diesem
Winter nicht besser zu meistern.
Also stieg ich jeden Tag aufs Eis und bohrte, immer in
der Hoffnung, damit den Fischen Gutes zu tun. Als einmal der Frost etwas
nachgelassen hatte, und das Loch so schnell nicht wieder zufrieren würde, kam
ich auf die Idee, es etwas größer zu machen. Gesagt, getan. Zwar war die Sache
mühevoll, aber schließlich hatte ich ein Loch von etwa fünf Zentimeter
Durchmesser aufgestemmt.
Entsetzen jedoch am nächsten Morgen. Es hatte leicht
geschneit, und auf dem Schnee prangten Spuren von Katzenpfoten. Es brauchte
nicht viel kriminalistischen Instinkt, um zu ahnen, was sich da abgespielt
haben konnte. Zwar fand ich nirgends die Reste eines Fisches, aber passiert sein
konnte in der Nacht alles Mögliche. Wahrscheinlich hatte eine Katze mit der
Pfote ins Loch gelangt, wo sich unten sauerstoffhungrige Fische drängten.
Doch wie war die Katze aufs Eis gelangt? Bequem durch die
Pforte im Zaun! Ich hatte sie seit Tagen offen gelassen, weil ja eine Eisdecke
auf dem Wasser war. Fortan vermied ich, das Loch zu groß zu machen. Abgesehen
davon, dass man natürlich einfach nicht vergessen darf, das Areal ständig
abzusichern.
Unsere Familie ist an sich kein Feind von Katzen. Eher im
Gegenteil. Wir besaßen über ein Jahrzehnt einen ziemlich großen Kater, mit dem
wir allerhand verrückte Dinge erlebt haben. Wir mochten ihn sehr, schon weil
die Kinder ihre Freude hatten. Jetzt allerdings sind wir auf Fische und Frösche
fixiert. Und Katzen passen da einfach nicht so recht ins Bild. Man kann ihnen
kaum klar machen, dass Fische nicht unbedingt gefressen werden müssen.
Nach dem Schrecken auf dem Eis stieg natürlich die
Spannung, ob im Frühling überhaupt noch Fische lebend anzutreffen sein würden.
Erstaunlich, wie lange Zeit es trotz ansteigender Temperaturen braucht, bis das
Eis schmilzt. Ich hatte das bisher noch nie so genau verfolgt. Ringsum lag
schon lange Zeit kein Schnee mehr, aber die Eisdecke war noch immer dicht.
Natürlich wollte ich nicht mit Gewalt losklopfen. Das soll man ja nicht tun.
Die Schallwellen schaden den Fischen. Sofern da noch welche schwimmen.
Endlich gelang es mir, eines der ehemaligen Bohrlöcher so
zu vergrößern, dass ich hinunter ins Wasser schauen konnte. Und siehe, da stand
doch genau unterm Loch ein Goldfisch! Aber er bewegte sich nicht, was nun
wieder verunsicherte. Immerhin lag er nicht quer, sondern schien aufrecht zu
schwimmen, was verhieß, dass er lebte. Minuten später war er verschwunden. Was
freilich auch noch kein Indiz für Leben war; denn es konnte ihn auch
irgendwelche leichte Strömung einfach vom Loch weggetrieben haben.
Als wenig später wieder ein Goldfisch zu orten war,
schien mir erwiesen, dass wenigstens ein Fisch den Winter überlebt hatte. Das
machte mir Mut zu versuchen, die Eisdecke endlich aufzubrechen. Aber das war
schneller gedacht, als getan, zumal ich mich nach wie vor scheute, heftig aufs
Eis zu klopfen. Mit einer Brechstange, die ich ins Loch schob, gelang es mir
denn doch, das Eis mitten entzwei zu brechen.
Womit jedoch noch gar nichts gewonnen war; denn das Eis
in seinen zwei Hälften nahm genau den Platz ein, den es schon vorher inne
gehabt hatte. Das heißt, alle Mühe brachte noch immer keine Klarheit, wie es um
die Fische stand.
Nachdem mir das Tauwetter zu Hilfe gekommen und die
Eisdecke etwas dünner geworden war, gelang es, ein Stück der einen Hälfte des
Eises über die andere zu schieben. Endlich war ein halber Blick in den Teich
möglich. Das verschaffte mir zwar noch immer keine vollkommene Gewissheit, aber
immerhin und leider die, dass eine Goldorfe den Winter nicht überlebt hatte.
Ziemlich fahl und aufgedunsen hing sie zwischen der Wasserpest.
Solch Moment der Enttäuschung, der Trauer und des
Abschieds darf man natürlich nicht übertreiben. Aber es handelt sich um ein
Lebewesen. Und obwohl die Goldorfen sich nun wahrhaftig äußerst rar gemacht
hatten, standen wir ihnen sozusagen nahe. Schon weil sie zu den ersten Fischen
gehörten, die wir uns zugelegt hatten. Und dass es so kompliziert werden würde,
diese kleinen Biester über die Runden zu bringen, hätten wir nie geglaubt.
Trübselig fing ich den toten Fisch heraus. Mit dem
Ergebnis, dass auch über die zweite Goldorfe Gewissheit einzog. Denn durch die
Wasserbewegung, die ich beim Herausfangen verursachte, wurde die zweite Orfe
unterm Eis hervor gespült. Tot.
So gab es denn ein doppeltes Begräbnis. Dass beide
Goldfische den Winter überlebt hatten, war dabei nur ein schwacher Trost. Woran
hatte es gelegen, dass die Orfen es nicht schafften? Die Aussichtslosigkeit,
auf diese Frage eine plausible Antwort zu bekommen, stimmt besonders traurig.
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