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„Katastrophen im Gartenteich“
8. Kapitel
Ein tückischer Feind
Den
Winter überlebt hatten also zwei Goldfische. Sie waren, wie uns schien, nicht
nur munter, sondern auch gewachsen. Und als sie wieder Futter annahmen, machten
sie uns glücklich. Zwar hielten wir für nötig, irgendwann den Bestand
aufzufrischen, aber zunächst gaben wir uns mit dem zufrieden, was wir über den
Winter gerettet hatten. Zumal die Moderlieschen im Frosch-Pool tapfer ausgehalten
hatten.
Eines
Tages, es war noch im Frühjahr, bemerkte meine Frau an einem der Goldfische
hinter der Rückenflosse einen gelben Punkt. Ich war mir nicht ganz gewiss.
Obwohl man jeden Tag auf die Biester schaut, gerät man in Unsicherheit, ob sie
irgendein kleines Merkmal, das man eines Tages entdeckt, schon immer mit sich
herumgetragen haben. In diesem Falle also war ich mir einfach nicht sicher, ob
dieser kleine Makel zwar da gewesen war, wir ihn aber einfach nicht als etwas
Wichtiges registriert hatten.
Nun
prüften wir jeden Tag den gelben Fleck. Und wehe, uns schien, er wurde größer.
War das normal? Oder eine Krankheit? Das Studium einschlägiger Bücher ist nicht
immer sehr hilfreich. Denn was da beschrieben steht, ist natürlich so ganz
exakt am im Wasser schwimmenden Fisch nicht auszumachen. Und den Fisch etwa zur
Diagnose heraus zu fangen, ist schon fast eine komplette Katastrophe.
Zunächst
hatten wir tatsächlich diese hirnrissige Idee. Vielleicht waren wir, weil
unerfahren, keine geschickten Angler, das will ich gern einräumen. Aber ein
Angler, der Beute machen will, geht ja auch anders vor. Ihn kratzt es nicht,
wenn er den Fisch verletzt. Wir hingegen mussten versuchen, ihn möglichst
unlädiert herauszubekommen.
Was
wir erlebten, hat sich später immer wiederholt. Hat man nämlich erst einmal das
Zutrauen der Fische verspielt, wird es fast aussichtslos, einen zu erwischen.
Wenn man nicht beim allerersten Versuch, ihn mit einem Netz einzufangen, Glück
hat, ist die Sache erst einmal gelaufen. Der Fisch geht auf Tauchstation, und
das meist auf lange Zeit. Fast könnte man sagen, die Fische sind nachtragend.
Wir
gaben es auf, ihn herauszuholen und aus der Nähe zu betrachten. Das heißt, wir
sahen aus der Entfernung, dass der gelbe Fleck schließlich wie eine Perle
hinter der Rückenflosse saß. Auch ich hatte keine Zweifel mehr. Das schien
tatsächlich eine sogenannte Karpfenlaus zu sein.
Ein
Fischhändler, den wir konsultierten, riet uns, den Fisch herauszufangen und den
Schmarotzer an der Flosse mit einer Pinzette abzuzupfen oder mit Fingernägeln
abzukneifen. Dabei sollten wir aber den Fisch nicht zu stramm anfassen. Wie
das? Wir waren dem Fall nicht gewachsen und entschieden, es mit im Handel
erhältlicher Medizin zu versuchen.
Es
gibt ja allerlei tolle Mittel. Jedenfalls steht das auf den Flaschen
geschrieben, in denen sich die Tinkturen befinden, die den Fischen angeblich
spielend Heilung bringen. Kleingedruckt ist dann allerdings meist zu lesen, was
beim Menschen so schön Risiken und Nebenwirkungen heißt. In diesem Falle sollte
man bei Verabreichung für genügend Sauerstoff im Wasser sorgen.
Nun
gut, das ließ sich regeln. Wir hatten ohnehin die Absicht gehabt, solch kleine
Sauerstoff-Pumpe für den Gartenteich zu kaufen. Bis jetzt hatten wir nur mit
frischem Wasser nachgeholfen oder mal Sauerstoff-Tabletten hineingeworfen.
Vielleicht war überhaupt fehlender Sauerstoff die Ursache für den Ausbruch der
Krankheit, beziehungsweise für den Befall mit Parasiten.
Ein,
zwei Tage belüfteten wir den Teich, und wir hatten den Eindruck, dass die
beiden Goldfische dankbar dafür waren. Sie schwammen irgendwie munterer im
Wasser. Das schien uns günstige Voraussetzung, mit der Kur zu beginnen. Zwar
würde auch der gesunde Fisch einbezogen werden, aber für den würde das so etwas
wie Prophylaxe sein. Also dosierte ich, so gut ich konnte, und gab eine Brise
von der Tunke ins Wasser. Der Teich färbte sich ziemlich blau, und wir harrten
der Dinge, die da kommen würden.
Am
nächsten und am dritten Tag musste die Prozedur wiederholt werden. Irgendwie
schien das Wasser immer blauer zu werden. Noch einmal rechnete ich durch, ob
ich mich vielleicht in der Menge vergriffen hatte. Aber das konnte nicht der
Fall gewesen sein. Im Gegenteil, eigentlich hatte ich optimal dosiert. Was nun
freilich hieß, dass wir besonders erwartungsvoll der Heilung unseres Fisches
entgegen bangten.
Nach
zwei, drei Tagen hatte das Teichwasser wieder seine ursprüngliche Färbung. Und
der Parasit auf dem Fisch prangte quittegelb wie zuvor! Er hatte ganz offenbar
nichts übelgenommen. Im Gegenteil, er schien sich wohl zu fühlen. Als sich auch
nach einer Woche keine Veränderung abzeichnete, waren wir geneigt, unsere
Aktion als gescheitert anzusehen.
Weil
der Fisch sich nach wie vor munter bewegte, also wahrscheinlich nicht litt, schlug
ich vor, die Sache erst einmal auf sich beruhen zu lassen. Dem Vorschlag wurde
in der Familie zugestimmt, da uns schien, dass der kleine gelbe Fleck, der wie
eine Perle aussah, etwas kleiner geworden war. Hatte die Kur vielleicht doch
gewirkt? Schließlich war sie nicht eben billig gewesen.
Die
Freude währte nicht lange. Unverkennbar: Der Parasit hatte sich erholt. Etwa
ein Monat mochte vergangen sein. Nun war guter Rat teuer. Noch einmal die ganze
Prozedur? Vielleicht ein anderes Mittel? Wir entschieden für das schon einmal
eingesetzte. Doch diesmal nahmen wir uns vor, dem gesunden Fisch die Tortur zu
ersparen. Das hieß, den befallenen Fisch herauszufangen, also die zu erwartende
Demütigung tapfer durchzustehen.
Allerdings
verschafften wir uns eine etwas bessere Ausgangsposition, indem wir etliche
Eimer Wasser abschöpften. Damit war der Spiel- und also Fluchtraum für den
Fisch etwas, freilich wirklich nur etwas geschmälert. Auch glaubten wir,
raffiniert vorzugehen, wenn wir den Fisch erst einmal mit Futter köderten.
Außerdem hatten wir „an Land“ eine Waschschüssel mit Teichwasser und dem
Heilmittel vorbereitet.
Ich
weiß heute nicht mehr genau, wie viele Versuche wir unternommen haben. Am
ersten Tag klappte es nicht, am zweiten Tag klappte es auch nicht. Der Fisch
verschwand stets in die Tiefe. Insgeheim regte sich schon die Empfindung, wir
seien möglicherweise total fehl am Platze in Sachen Fischhaltung. Aber
vielleicht lag es nur daran, dass wir zu zaghaft waren, weil wir fürchteten,
den Fisch zu verletzen.
Als
ich mich erinnerte, wie fast brutal ein Händler für einen seiner Kunden einen
großen Fisch aus einem kantigen Steinbassin heraus gefangen hatte, entschloss
ich mich, weniger zimperlich vorzugehen. Auch auf die Gefahr hin, dem Fisch weh
zu tun. Die Nerven lagen sozusagen blank.
Endlich
klappte es. Der Fisch zappelte im Netz. Jetzt wäre Gelegenheit gewesen, den
Parasiten zu suchen und irgendwie zu zerquetschen. Aber das wäre eine zu
ungewöhnliche Aktion für uns gewesen. Jede Verzögerung, die entstanden wäre,
hätte bedeutet, den Fisch weiterhin außerhalb des Wassers zu haben. Wie lange
würde er das aushalten? Und würde er nicht vielleicht sowieso Schaden nehmen?
Wir waren fürchterlich aufgeregt. Das Risiko schien uns zu groß. So kam der
Kranke denn schwupp in die zum dritten oder gar vierten Male vorbereitete
Schüssel.
Unsere
Aufregung muss nachhaltig gewesen sein, vielleicht war es auch die Genugtuung,
den Fisch endlich gefangen zu haben – jedenfalls vergaßen wir erst einmal alle
Vorsicht. Wir stellten die Schüssel, vor der Sonne geschützt, auf die kleine
Terrasse vor unserer Laube, beobachteten den Fisch noch ein Weilchen und
überließen ihn dann seinem Schicksal.
Eine
Stunde mochte vergangen sein, als meine Frau plötzlich rief: "Die
Katzen!" Schon stürzten wir hinaus. Wir hatten den Fisch völlig schutzlos
zurückgelassen. Doch Entwarnung: Er war noch in seiner Schüssel.
Aber
neues Ungemach! Er schien sich nicht sonderlich wohl zu fühlen. Plötzlich und
unerwartet nämlich, als wir noch zufrieden schauten, legte er sich kurz auf die
Seite, richtete sich aber wieder auf. Kaum hatten wir uns von unserer
Verblüffung erholt, kippte er schon wieder zur Seite. Das sah nicht gut aus und
wiederholte sich. Was war da los? Wir waren mit unserem Latein am Ende.
Vorsorglich
trugen wir die Schüssel erst einmal in die Laube, um den Fisch wenigstens vor
Katzen zu schützen. Auch las ich die Dosierungs-Anleitung noch einmal genau. Da
konnte eigentlich kein Fehler passiert sein. Obwohl es bei einer Schüssel fast
grotesk war, legten wir den kleinen blauen Ball der Sauerstoff-Pumpe hinein und
setzten die Apparatur in Gang. Mehr ließ sich nicht tun.
Eine
Visite vor Einbruch der Nacht ließ nichts Gutes ahnen. Der Fisch lag mehr quer,
als dass er aufrecht schwamm. Ratlos standen wir davor. Wir gaben ihm Futter,
aber dafür hatte er schon keinen Sinn mehr. Wirklich elend kurvte er in seiner
Schüssel herum. Hastig wechselten wir die Hälfte des Wassers aus, da wir
plötzlich den Eindruck hatten, dass ihn die Medizin dahinraffte. Dann verließen
wir geradezu fluchtartig den Tatort.
Am
nächsten Morgen lag der Fisch quer im Wasser und zeigte uns seine volle goldene
Schönheit. Er war tot.
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